Börsen stolpern in schwachen Herbst hinein

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Getrübte Konjunkturaussichten, die Unsicherheit bezüglich der künftigen Geldpolitik und Gewinnmitnahmen haben eine scharfe Korrektur an den Aktienmärkten ausgelöst. Diese ist noch längst nicht vorbei.

Wien. Skeptiker können sich bestätigt fühlen: Die Börsen befinden sich in einer scharfen Korrektur. Aus Aktienfonds wurden bis Anfang Oktober weltweit knapp 13Mrd. Dollar abgezogen – und damit so viel wie seit rund zwei Monaten nicht mehr. Das hat Auswirkungen auf die Börsen: Der Frankfurter Leitindex DAX, eines der Zugpferde der Aktienmärkte in den vergangenen Jahren, hat sich von seinem Höchststand um 13Prozent entfernt. Wenn ein Index um mehr als 20 Prozent unter seinen Höchststand fällt, spricht man von einem Bärenmarkt.

Auch der US-amerikanische Dow Jones hat korrigiert. Gegenüber seinem Rekordhoch hat er um sieben Prozent nachgegeben. Dass es sich dabei nicht bloß um Gewinnmitnahmen nach den Höhenflügen der vergangenen Jahre handelt, zeigt die Entwicklung des Wiener ATX: Auch dieser ist schon wieder abgestürzt, obwohl er aus dem Bärenmarkt, in den er nach Ausbruch der Finanzkrise vor sechs Jahren geschlittert ist, gar nicht erst herausgekommen ist. Vom einstigen Hoch hat er inzwischen 60 Prozent eingebüßt.

Enttäuschende Konjunktur

Allein seit einem Monat hat er neun Prozent verloren. Besonders schwer erwischte es die Raiffeisen Bank International, der nicht nur das allgemein schwache Umfeld für Banken, sondern auch die Russland-Krise zu schaffen macht. Doch auch andere Schwergewichte wie OMV, Voestalpine und Andritz zogen den Wiener Leitindex nach unten.

Hintergrund für die schwache Entwicklung an den Börsen ist die enttäuschende Konjunktur. Die Aktienmärkte hatten steigende Gewinne und hohe Zuwachsraten bereits vorweggenommen. Nun gibt es schlechte Nachrichten an allen Ecken und Enden. Während einige europäische Peripherieländer mit einer Rezession kämpfen, lässt jetzt auch Deutschland als bisheriges Zugpferd aus. Die Industrieproduktion ist im August unerwartet schwach ausgefallen. Unter den Finanzmarktexperten haben erstmals seit fast zwei Jahren die Pessimisten wieder die Oberhand gewonnen, wie aus dem ZEW-Indikator hervorgeht.

Chinas Wirtschaft dürfte im dritten Quartal nur um 7,2 Prozent zum Vorjahr gewachsen sein, das wäre das schwächste Wachstum seit mehr als fünf Jahren. Ursache sind ein unerwartet schwacher Binnenkonsum und hohe Überkapazitäten. In den USA fürchten die Investoren, dass auch die US-Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, wenn der Rest der Welt schwächelt. Hinzu kommt, dass „die Monate September und Oktober an den Börsen oft eine gefährliche Zeit sind“, wie Erste Bank-Analyst Günther Artner sagt. Große Krisen wie etwa im Jahr 1929 oder 2008 wurden in diesen Zeiträumen ausgelöst.

Mit der nun eingeläuteten Korrektur an den Märkten habe eine selbsterfüllende Prophezeiung begonnen. Zertifikate würden ausgestoppt und Stop-Loss-Orders ausgeführt. Zusätzlich verstärken Hochfrequenzhändler den Trend nach unten.

Nicht alles auf eine Karte setzen

Raiffeisen-Analyst Peter Brezinschek glaubt, dass die Korrektur noch nicht vorbei ist, auch wenn es am vergangenen Freitag wieder nach oben gegangen ist: Viele Anleger, die in den ersten drei Quartalen dank der sinkenden Zinsen und der steigenden Aktienmärkte Gewinne erzielt haben, würden diese sicherheitshalber einmal mitnehmen und abwarten, wie es mit der Konjunktur weitergeht, und wie die Bankenstresstests ausgehen (deren Ergebnis am 26.Oktober veröffentlicht werden soll).

Doch was sollen Anleger jetzt tun? Eines steht fest: Wenn die Weltwirtschaft in eine neue Krise rutscht, werden sich die Börsen dem kaum entziehen können. Wie tief es nun noch nach unten geht, weiß freilich keiner. Value-Investoren wie Max Otte raten von Strategien à la „Jetzt warte ich einmal die Bodenbildung ab, dann kaufe ich billig ein“, ab (siehe Seite11). Brezinschek rät, die zwischenzeitlichen Kursrückgänge immer wieder zum Einstieg zu nutzen.

Immerhin böten viele Aktien eine attraktive Dividendenrendite. Hans Köck von Pioneer Investments sieht es als Maxime, nicht alles auf eine Karte zu setzen. „Man braucht im Portfolio eine vernünftige Risikostreuung.“ Das bedeute, neben Aktien etwa auch auf Staatsanleihen zu setzen.

„Die gemischten Fonds sind alle mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Köck. Artner glaubt zwar, dass sich die Lage in wenigen Wochen wieder beruhigt haben wird. „Charttechnisch kann ich aber nicht ausschließen, dass es weiter runtergehen wird. Derzeit haben wir eine sehr heikle Situation.“ Doch bald legen die Unternehmen ihre Zahlen für das dritte Quartal. „Ich glaube, dass das für Beruhigung sorgen wird.“ Nicht zuletzt, weil der Euro gegenüber dem Dollar deutlich schwächer geworden ist und das einigen Firmen in die Hände spielen sollte. Brezinschek glaubt, dass die ATX-Firmen nächstes Jahr auch dann ein starkes Gewinnwachstum schaffen könnten, wenn die Wirtschaft nur schwach wächst.

Denn heuer seien die Gewinne vielfach von Sondereffekten wie Abwertungen belastet gewesen, ein Effekt, der nächstes Jahr wegfallen dürfte.

Hilfe für die gebeutelten Märkte könnte von der US-Notenbank Fed kommen: Diese dürfte sich „aktienfreundlich verhalten und eventuell auch eine Verschiebung der angekündigten Leitzinserhöhung ins Auge fassen“, meint Trevor Greetham, Leiter taktische Asset Allocation bei Fidelity.

In den kommenden Monaten erwartet er daher wieder steigende Märkte– vor allem in den USA. „Allerdings bin ich besorgt, dass der Abschwung in China an Fahrt gewinnen könnte, was dazu führt, dass ich Rohstoffe und Schwellenländer untergewichtet habe“, schreibt der Experte in einem Marktausblick. Viele fürchten, dass sich steigende Zinsen negativ auf die Aktienkurse auswirken könnten.

Hoffen auf die Notenbanken

Eine nicht minder bedeutende Rolle nimmt die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Dass die EZB zuletzt doch kein Quantitative-Easing-Programm angekündigt hat, hat die Marktteilnehmer enttäuscht und wird wohl noch für Unsicherheiten sorgen. „Es wird viel davon abhängen, wie die Notenbanken agieren und ob ihnen gezielte Aussagen gelingen“, sagt Köck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2014)

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