Saudiarabiens sündiger Aktienmarkt

LEBANON SAUDI ARABIA DONATION
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Islamgelehrte deklarieren den Börsengang einer Großbank als „haram“.

Wien/Jeddah. Seit Sonntag läuft die Angebotsfrist für den weltweit zweitgrößten Börsengang dieses Jahres. Angepeilt wird ein Volumen von sechs Mrd. Dollar. Ob der IPO der saudiarabischen National Commercial Bank (NCB) ein Erfolg wird, ist freilich noch fraglich: Die höchste islamische Institution des wahabitischen Wüstenkönigreichs ist den Saudi-Bankern nämlich ordentlich in die Parade gegrätscht und hat eine Fatwa erlassen. Der Börsengang ist „haram“, Saudis, die NCB-Aktien kaufen, begehen also eine Sünde, hat das Scharia-Komitee unter Großmufti Scheich Abdul Aziz al-Asheik dekretiert.

Eine irgendwie blöde Geschichte für die staatliche Bank. Denn Nicht-Saudis dürfen Saudi-Aktien ja (noch) nicht kaufen. Der Angelpunkt für den religiösen Bann ist das islamische Zinsverbot. Dabei wird zwar ähnlich geheuchelt und mit Umgehungskonstruktionen gearbeitet wie beim Verbot der Prostitution, das durch die schariakonforme „Ehe auf Zeit“ ausgehebelt werden kann. Aber wenn Zinsen „Zinsen“ heißen, dann ist das eben ein Verstoß gegen die strikte Regel. Ein Drittel des Geschäftes der Bank sei auf diese Weise „haram“, sagen die Kleriker. Der „Scharia-Rat“ der Bank selbst bestreitet das freilich. Die Bank verspricht trotzdem, innerhalb eines Jahres zu 100 Prozent schariakonform wirtschaften zu wollen.

Allerdings scheint der Grad der Zinssünde auch von der Stellung des Sünders abzuhängen. Sonst würde der Emir von Katar, der in seinem Land einen ähnlich strikten Islam praktiziert wie Saudiarabien und ebenfalls im Verdacht steht, radikale islamische Strömungen in Westeuropa finanziell zu unterstützen, ein ziemlich großer Sünder sein: Der ist über seine private Anlagegesellschaft und seinen Staatsfonds unter anderem an den Instituten Deutsche Bank, Credit Suisse und Barclays beteiligt. Alles Banken, die nicht unbedingt dafür bekannt sind, keine Zinsen zu nehmen. (ju/red.)

("Die Presse", Printausgabe vom 21.10.2014)

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