Max Otte: "Österreich leidet besonders unter der Russland-Krise"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Ökonom Max Otte sah die Finanzkrise voraus. Was hält der Börsenexperte von den Aktien im ATX?

Die Presse: Was ist mit Österreichs Kapitalmarkt los? In der Finanzkrise stürzte der ATX massiv ab. Davon hat er sich nie wirklich erholt – eine Art Dauer-Bärenmarkt. Dow Jones und DAX sind dagegen auf Höchstständen. Waren die heimischen Aktien vor der Krise denn so überbewertet?

Max Otte: Sie sind vielmehr jetzt fundamental unterbewertet. Die Börsen in Österreich und Deutschland haben sich in den letzten Jahren stark auseinanderentwickelt. Ich habe dafür eine banale Erklärung, aber ich glaube, da ist was dran: Nach der Eurokrise, ab 2012, ist viel Kapital nach Europa zurückgeflossen. Da haben die Mitarbeiter bei den institutionellen Anlegern überlegt: „Was kennt man, wo sehe ich beim Chef nicht schlecht aus, wenn es schiefgeht?“– und alle haben deutsche Aktien gekauft, aber keine österreichischen. Es gibt also ganz einfache psychologische Hintergründe.

Aber bei vielen notierten Unternehmen gab es doch konkrete Gründe für Kurseinbrüche...

Sicher, die Banken und die Immofinanz haben immer noch ein Problem. Da bleibt es unsicher, wie es weitergeht. Aber die soliden Mittelständler sind okay. Freilich leiden sie unter der Weltkonjunktur, da geht es ihnen wie den Maschinenbauern in Deutschland. Was an der Wiener Börse fehlt, sind Markenartikler und IT-Firmen.

Oft heißt es, stark im ATX anzulegen sei zu riskant, weil er nur wenige große Werte hat, die von wenigen institutionellen Anlegern getrieben werden.

Der ATX ist schon ein enger Markt mit engen Strukturen. Die Banken– Erste, Raiffeisen – haben einen großen Teil der Kapitalisierung. Aber das mit dem „Treiben“ stimmt nur kurz- bis mittelfristig. Auf lange Sicht setzt sich der Wert durch. Sie kaufen österreichische Aktien jetzt sehr billig. Deshalb würde ich sie als Beimischung empfehlen. Da kann man wirklich dümmere Dinge tun.

Aber der ATX steht auch aktuell auf der Verliererseite...

Österreich leidet besonders unter der Russland-Krise. Das galt anfangs auch für Deutschland, aber dort ist das eher überwunden. Der DAX hat sich warmgelaufen, der ATX dümpelt weiter vor sich hin. Aber die österreichischen Aktien sind wie ein Schatz, der verborgen unter der Erde liegt. Irgendwann kommt einer, der ihn ausgräbt.

Wann denn?

Ein, zwei Jahre kann das immer noch dauern. Länger kann ich es mir nicht vorstellen. Ich kann nur sagen: „Leute, kauft österreichische Aktien!“ Denn diese sind zurückgeblieben. Wir haben sie auch in unserem Fonds übergewichtet.

Welche ATX-Werte sind für Sie aktuell besonders interessant?

Die Voest und die OMV sind billig zu haben. Den Verbund finden wir sehr spannend. Die EVN, Post, Telekom. Rosenbauer ist vom Wachstum her interessant. Also quer durch – alles außer Finanztitel. Und den Flughafen, für den ist es jetzt zu spät. Auch Andritz ist eher teuer.

Welche Unternehmen gefallen Ihnen, wenn Sie an die Dividendenrendite denken?

Sicherlich die OMV. Die AT&S und die Post. Auch die Voest ist mit drei Prozent im Vergleich zum Festgeld immer noch schön.

Sie haben uns im Oktober vor einer globalen Krise gewarnt. Die Gefahr sei sogar größer als 2008. Bleiben Sie dabei?

Die Lage ist noch stabil, auch die geopolitische Situation ist noch unter Kontrolle. Aber auch wenn die große Krise kommt, stellt sich die Frage: Bin ich dann mit Festgeld auf der richtigen Seite? Ich würde sagen: nein. Mit Aktien ist man langfristig besser aufgestellt.

Wenn es bei einer schleichenden Verschlechterung bleibt – mit schwachem Wachstum, aber keiner Rezession, wenig Inflation, aber keiner Deflation: Was bedeutet das für die Aktienmärkte?

Wenn wir uns weiter durchwursteln, werden wir sehr schöne Wertsteigerungen auf den Aktienmärkten haben.

Wenn es aber 2015 kaum Wachstum gibt: Werden dann die großen ATX-Firmen trotzdem gute Gewinne machen?

Nicht unbedingt. Aber Kurssteigerungen kann es unabhängig von den aktuellen nachhaltigen Gewinnen geben. Es geht ja auch um die Substanz, um tolle Aktiva – und die sind bei Werten wie der OMV oder der Voest deutlich unterbewertet.

Einige Firmen haben heuer starke negative Sondereffekte durch Abwertungen gehabt. Das könnte nächstes Jahr wegfallen...

Genau, so etwas machen Manager ja gern, wenn die Stimmung schlecht ist: auf breiter Front abschreiben, damit man dann wieder unbelastet starten kann.

Bleiben Aktien durch das Niedrigzinsumfeld eine alternativlose Anlageklasse?

Absolut. Sie gehören auf jeden Fall dazu. Ich weiß schon: Die Leute wollen keine Aktien mehr, weil sie damit mehrfach auf die Nase gefallen sind. Das ist die Stimmung im Volk. Aber irgendwann wird man sich wieder Aktien zuwenden. Und die Niedrigzinsen sind das Klingeln zum Einstieg.

Fokus Wiener Börse

Dieser Artikel erschien in der Beilage "Fokus Wiener Börse", die mit Unterstützung der Wiener Börse AG möglich gemacht wurde. Die Beiträge wurden von der "Presse"-Redaktion in vollkommener redaktioneller Unabhängigkeit inhatlich gestaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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