Wiener Börse: ATX fällt heuer schon wieder zurück

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zum Teil ist es Zufall, dass sich ausgerechnet jene Branchen schlecht entwickelten, in denen die heimischen börsenotierten Unternehmen aktiv sind. Zum Teil interessiert sich derzeit einfach niemand für den kleinen Markt.

Wien. Börsentrends können lange anhalten. Wer gehofft hatte, dass der Wiener ATX nach jahrelangem Hinterherhinken heuer endlich einmal zu den Konkurrenten aus Deutschland oder den USA aufschließen könnte, wurde schon wieder enttäuscht. Seit Jahresbeginn hat der Wiener Leitindex erneut nachgegeben, und zwar um bis dato 13 Prozent. Zum Vergleich: Europäische Aktien hielten sich währenddessen weitgehend konstant, während US-Aktien – auf Eurobasis umgerechnet – um 15 Prozent zulegen konnten.

OMV setzt nicht nur Ölpreis zu

Eine Ursache für das Hinterherhinken ist die Branchenzusammensetzung des ATX: Rohstofftitel und europäische Banken zählten heuer nicht zu den Liebkindern der Investoren. Einer der schwächsten Werte im ATX war denn auch die OMV, die vom fallenden Ölpreis nach unten gezogen wurde. Vergangenen Donnerstag kürzte die Deutsche Bank das Kursziel für das Unternehmen von 31 auf 28 Euro (womit das Preisziel noch immer deutlich über dem gegenwärtigen Kurs von knapp über 20 Euro liegt). Als Risiko sieht man neben dem fallenden Ölpreis Schwankungen bei den Margen sowie Steueränderungen in Rumänien.

Zwar mussten auch die großen US-Konkurrenten wie Chevron und Exxon Mobil Federn lassen, allerdings längst nicht in diesem Ausmaß. Der OMV machten auch unternehmensspezifische Probleme, etwa in Libyen im ersten Halbjahr, zu schaffen.

Abermals schwach zeigten sich die Banken Raiffeisen Bank International und Erste Group. Vor allem dem Raiffeisen-Papier setzt die Russland-Ukraine-Krise zu. Ansonsten entspricht der Rückgang dem Branchentrend. Europäische Banken fanden sich heuer generell nicht unter den Highflyern. Die Deutsche Bank etwa ist mit einem Minus von bis dato 23 Prozent zweitschlechtester DAX-Wert. Auch die französischen Institute Société Générale und BNP Paribas rutschten zweistellig ab.

Bei den Immobilienwerten fiel die Entwicklung unterschiedlich aus. Die Immofinanz gab wegen ihrer Russlandlastigkeit deutlich nach. Die Analysten der Erste Group kürzten das Kursziel vergangene Woche von 3,10 auf 2,85 Euro. Die Auswirkungen der Lage in Russland (Sanktionen, fallender Ölpreis, Rubelabwertung) für die Immofinanz seien zwar bisher gering, demnächst könnte aber von dieser Seite mehr Druck entstehen. Andere Immobilientitel wie die Immofinanz-Abspaltung Buwog oder die CA Immo konnten heuer hingegen zweistellige Zugewinne einfahren.

Viele positive Ausreißer gab es hierzulande allerdings nicht. Lediglich die Papiere des Beleuchtungsunternehmens Zumtobel (das als Leichtgewicht mit 1,38 Prozent ATX-Gewichtung den Index kaum stützen konnte) und des Flughafen Wien legten kräftig zu. Beim Faserkonzern Lenzing handelte es sich nur um eine kleine Erholungsbewegung nach dem starken Rückgang im Vorjahr.

Technologie-, Gesundheits- oder Konsumgüteraktien gibt es im ATX nicht. Zum Vergleich: In den USA legte Intel auf Eurobasis um 56 Prozent zu, Microsoft verteuerte sich um 40, der Sportartikelkonzern Nike um 38 Prozent. Der DAX wurde von den Pharmaunternehmen Merck und Bayer sowie den Medizintechnikfirmen Fresenius SE und Fresenius Medical Care nach oben gezogen.

Das muss freilich nicht immer so weitergehen. Sollte es zu einer Erholung von Banken- und Rohstoffwerten kommen, könnte der ATX den anderen Aktienbarometern davonziehen. Auch eine Entspannung der Situation in Russland würde dem Wiener Börsenbarometer mehr helfen als den meisten anderen europäischen Indizes.

Experten sind geteilter Ansicht

Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das nächstes Jahr passiert? Während etwa der deutsche Börsenexperte Max Otte kürzlich im Interview mit der „Presse“ meinte, österreichische Aktien seien „wie ein Schatz, der verborgen unter der Erde liegt“, und sich nicht vorstellen kann, dass es noch länger als ein bis zwei Jahre dauert, bis ihn jemand ausgräbt, sind andere skeptisch.
So erwarten die Experten der Valartis Bank generell ein gutes Aktienjahr, für den Wiener Index sind sie jedoch vorsichtig: „Sofern nicht ein großer internationaler Investor den ATX wiederentdeckt und damit auch neue Investoren anzieht, sehen wir hier kaum große Kurssteigerungen“, meint Monika Jung in einer Aussendung des Instituts.

Was Sie beachten sollten bei . . . Aktien

Viele Anleger haben sich in den vergangenen Jahren mit österreichischen Aktien die Finger verbrannt. Auch langfristig orientierte Investoren sollten daher einige Faustregeln beachten.

Tipp 1

Regional streuen. Österreichische Privatanleger investieren gern ausschließlich oder zu einem großen Teil in österreichische Aktien. Das hat sich in den Jahren nach der Finanzkrise nicht bewährt. Der ATX hinkte in diesem Zeitraum den globalen Aktienmärkten deutlich hinterher. Wer viel Geld hat, sollte dieses zur Sicherheit auf mehrere Regionen verteilen.

Tipp 2

Zeitlich streuen. Den idealen Zeitpunkt für den Einstieg in den Aktienmarkt zu finden, ist schwierig. Wer den falschen Zeitpunkt erwischt (etwa während eines Hypes kurz vor dem Crash), braucht oft Jahre, um die Verluste wieder wettzumachen. Wer viel Geld auf einmal erhält (etwa durch eine Erbschaft), sollte nicht alles auf einmal in den Aktienmarkt stecken.

Tipp 3

Fonds als Alternative. Wer zu wenig Geld hat, um mehrere Einzelpositionen aus verschiedenen Branchen und Regionen zu halten, kann auf Fonds ausweichen. Dann kümmert sich ein Fondsmanager um die Veranlagung; die Gebühren sind jedoch höher, als wenn man selbst in Aktien investiert. Eine Alternative stellen börsegehandelte Fonds ohne Fondsmanager (ETFs) dar.

Tipp 4

Absichern. Manche Aktionäre sichern sich durch sogenannte Stop-Loss-Orders ab. Dabei wird automatisch verkauft, wenn die Aktie unter einen bestimmten Wert gefallen ist. So vermeidet man noch größere Verluste. Kritiker meinen allerdings, dass bei dieser Strategie das Risiko kleinerer Verluste höher sei als bei einem langfristigen Anlagehorizont.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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