Die Statistik als Verbündete beim Investieren

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Im US-Präsidentenwahljahr Aktien kaufen oder im Mai verkaufen? Das Buch "Die geheime Kunst der Börsenanalyse" bietet einen Überblick über Börsenindikatoren und hinterfragt ihre Aussagekraft.

Wien. Wenn der Friseur oder der Taxifahrer zu Aktien rät, sollte man aussteigen. „In früheren Jahren war es an der Wall Street ein Running Gag, dass Privatanleger immer falsch liegen und man nur das Gegenteil von dem machen muss, was die Privatanleger tun“, schreibt Michael Rasch in seinem Buch „Die geheime Kunst der Börsenanalyse“. Doch zeigten Analysen, dass die individuellen Investoren in den USA über die Jahre dazugelernt haben.

Den Begriff „dummes Geld“ für die Privatanleger gibt es indes noch immer. Es spielt auch eine Rolle in der kurzfristigen Aktienanalyse: Einer Theorie zufolge investieren Privatanleger gern an Montagen (nachdem sie am Wochenende Zeit hatten, eine Anlageentscheidung zu treffen). Professionelle Anleger investieren hingegen lieber am Freitag (nachdem sie in den Tagen zuvor das Börsengeschehen beobachtet haben). Steigen nun die Kurse über einen längeren Zeitraum am Montag und fallen sie am Freitag, könnte das ein Indiz für eine negative Trendwende sein, da die „schlauen“ (professionellen) Anleger skeptisch und nur die „dummen“ Privatanleger euphorisch sind. Fallen die Kurse an Montagen und steigen sie an Freitagen, wäre das ein gutes Zeichen.

Steuerzuckerln im Wahlkampf

Der Autor weist jedoch darauf hin, dass man die Theorie nicht überbewerten sollte. Alle Börsenindikatoren, die in dem Buch vorgestellt werden, sind mit Vorsicht zu genießen. Ihre Aussagekraft wird kritisch hinterfragt, zugleich gibt es Tipps, wo man Auskunft über die aktuellen Stände bekommen kann. Obwohl das Buch die Leser wohl kaum davor bewahrt, „nie wieder zum falschen Zeitpunkt zu investieren“, wie der Untertitel nahelegt, ist es kurzweilig zu lesen– auch, weil es immer wieder mit frappierenden Statistiken aufwartet.

So steigen die Kurse von US-Aktien in einem Vorwahljahr (vor der Präsidentenwahl) zu 82 Prozent. Das Wahljahr selbst ist mit einer Wahrscheinlichkeit auf steigende Kurse von 68 Prozent das zweitbeste Jahr im vierjährigen Zyklus, in den beiden anderen Jahren steigen die Kurse zu 52 Prozent. Erklärt wird das damit, dass in Nachwahljahren oft schmerzliche Reformen umgesetzt werden, während sich der Präsident im Vorwahljahr durch Steuergeschenke bei den Wählern einschmeicheln will.

Warum die Sell-in-May-Regel so gut funktioniert, derzufolge man sich im Mai aus dem Aktienmarkt zurückziehen und im Herbst wieder einsteigen soll, ist hingegen nicht so klar. Die Statistik ist jedoch extrem überzeugend, wie Rasch darlegt. Auswertungen von Ned Davis Research hätten ergeben, dass jemand, der von 1950 bis 2006 1000 Dollar immer von Mai bis Oktober investiert hätte, am Ende mit 910 Dollar (also leicht negativ) ausgestiegen wäre. Hätte er das Geld nur jeweils von November bis April veranlagt, wären daraus 38.700Dollar geworden. Allerdings würden Transaktionskosten und in manchen Ländern anfallende Steuern auf Spekulationsgewinne diese Gewinne beträchtlich schmälern.

Nicht ganz so aussagekräftig ist die Wie-der-Jänner-so-das-Jahr-Regel. Seit 1950 gab es 24 Jänner-Monate, die dem US-Aktienindex S&P500 Verluste bescherten. In nur 13 Fällen gab es auch eine negative Rendite im Gesamtjahr. Größer ist die Aussagekraft für einen Jänner mit positiver Performance. Auf einen solchen folgt zu 89 Prozent ein positives Gesamtjahr.

Langfristig orientierten Anlegern rät Rasch, sich am monetären Umfeld (fallende Zinsen sind gut für Aktien, steigende nicht so gut), an Kennzahlen wie dem Shiller-KGV (das den Kurs in Relation zu den inflationsbereinigten Gewinnen der letzten zehn Jahre setzt) oder dem TobinQ (das den Börsenwert in Relation zum Buchwert setzt) zu orientieren.

Niedrigzinsen pfuschen drein

Ein einst renommierter Vergleichsmaßstab, das Fed-Modell, sei hingegen derzeit außer Kraft gesetzt. Diesem Modell zufolge müssten Aktien umso teurer sein, je niedriger die Zinsen für Staatsanleihen sind. Daraus ergäbe sich ein „fairer Wert“ für den S&P-500 von 4500Punkten. (Zuletzt notierte der Index bei knapp über 2050 Punkten.) „Sollte sich das Zinsumfeld durch steigende Zinsen dereinst wieder normalisieren, könnte auch das Fed-Modell wieder an Relevanz gewinnen“, meint der Autor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2015)

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