Kaldemorgen: „Anleger haben eine Art Risikokomfortzone“

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Kaldemorgen(C) Fabry
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Klaus Kaldemorgen ist einer der bekanntesten Fondsmanager Deutschlands. Er erklärte der „Presse“, warum Anleger nicht auf steigende Zinsen warten sollten und ein plötzlicher Crash nicht eintreten wird.

Die Presse: Kann man heute noch sicher veranlagen und trotzdem Geld verdienen?

Klaus Kaldemorgen: Der risikofreie Zins ist in der Tat verschwunden. An den Märkten gibt es nur noch eine relative Sicherheit. Man muss also Risken eingehen, um Rendite zu erzielen.

Wird sich das wieder ändern?

Irgendwann wird es wieder Zinsen geben. Anleger sollten darauf aber nicht jahrelang warten. Um Rendite zu erzielen, müssen sie ein gewisses Risiko in Kauf nehmen. Das kann man über Fonds oder eine ordentliche Aufteilung machen. Ein Beispiel: Wenn man nur in den DAX investierte, hatte man in den vergangenen Jahren eine Schwankungsbreite von fast 20 Prozent. Wenn man international investierte, lag sie bei 13 Prozent. Wenn man auch noch in sehr defensive Aktien mit einer hohen Dividendenrendite investierte, reduzierte sich das Risiko auf neun bis zehn Prozent. Nur durch eine gute Mischung von unterschiedlichen Vermögensanlagen kann man das Risiko auf ein Niveau bringen, bei dem sich Anleger einigermaßen wohlfühlen.

Mit welchem Risiko können Anleger denn leben?

Die meisten Anleger haben so eine Art Risikokomfortzone. Sie halten fünf bis sechs Prozent Schwankungen im Jahr aus. Das Problem dabei ist, dass Anleger früher die Hälfte ihres Geldes in Anleihen investieren konnten. Damit haben sie einen Sicherheitspuffer aufgebaut, um auch in riskantere Anlagen wie Aktien zu gehen. Ist es mit Aktien schlecht gelaufen, konnte man das durch den Zinsertrag bei Anleihen kompensieren. Das ist heute nur noch schwer oder kaum möglich. Deswegen ist eine gewisse Flexibilität notwendig geworden.

Privatanleger sind aber kaum flexibel. Sie kleben an ihren Sparbüchern, Aktien lassen sie hingegen links liegen.

Privatanleger haben an den Aktienmärkten 2000 und 2008 zwei heftige Abstürze gesehen. In den vergangenen 14 Jahren hat der DAX zumindest einmal im Jahr zehn Prozent korrigiert. Anleger haben nun Angst, just im falschen Augenblick zu investieren. Einige Privatanleger haben es derzeit außerdem schwer, weil sie die Rallye der vergangenen Jahre verpasst haben und nun der Ansicht sind, auf diesem Niveau nicht mehr einsteigen zu können.

Erwarten Sie, dass es an den Börsen noch lange so weitergehen wird wie bisher?

Auf Jahressicht erwarten wir eine positive Entwicklung an den Aktienmärkten. Allerdings könnte ein Großteil bereits durch die Performance im Jänner und Februar vorweggenommen worden sein. Ich erwarte temporäre Rücksetzer, die aber beispielsweise professionellen Anlegern die Möglichkeit eröffnet, sich entsprechend zu positionieren.

Das jähe Ende kommt nicht?

Es kann noch lange so weitergehen. Gemessen am historischen Kurs-Gewinn-Verhältnis sind die Aktienmärkte nicht mehr billig. Aber man darf die Märkte nicht absolut, sondern muss sie relativ zu anderen Anlageformen betrachten. Gemessen am niedrigen Zinsniveau sind Aktien attraktiv. Man hat eine hohe Dividendenrendite und ein deutlich niedrigeres Kurs-Gewinn-Verhältnis als bei Anleihen.

Die Geldpolitik der Notenbanken hat die Börsenkurse nach oben getrieben. Nun hat auch die Europäische Zentralbank mit einem massiven Kaufprogramm begonnen. Begibt sich die EZB da in ein gefährliches Fahrwasser?

Ich glaube schon. Ich verurteile aktive Geldpolitik nicht, denn gerade nach der Krise war es völlig richtig, systemische Risken durch lockere Geldpolitik zu verringern. Jetzt ist auch die Wirtschaft durch exogene Faktoren wie den niedrigen Ölpreis in einer Aufschwungphase. Nur jetzt noch einmal Öl ins Feuer zu gießen und Renditen ins Negative zu drücken, halte ich für sehr gewagt. Weil man die negativen Effekte, die dadurch ausgelöst werden, noch gar nicht versteht. Etwa, was die Sparneigung der Bevölkerung betrifft oder das Finanzsystem. Dieses tut das, was es nicht tun sollte: stärker ins Risiko gehen, um die negativen Zinsen auszupreisen.

Der Crash kommt also doch?

Einen plötzlichen Crash sehe ich nicht. Die Gemengelage ist derzeit schwierig. Auf den Immobilienmärkten kann man ordentliche Steigerungen feststellen, die durchaus gefährlich sind. Bei Aktien kann ich diese Überbewertung noch nicht so sehen, es könnte aber in die Richtung gehen. Am schlimmsten ist es auf den Anleihemärkten. Da wird man für das Risiko nicht mehr belohnt.

Staaten können sich derzeit so billig verschulden wie nie. Da können die Zinsen doch gar nicht mehr steigen, oder?

Das kann man so sehen. Die Alternative sind stark steigende Inflationsraten, um die Schulden wegzuinflationieren. Die Zentralbank wird bei einem Anziehen der Inflation folglich erst spät mit steigenden Zinsen reagieren. Aber ganz klar, die Phase extrem niedriger Zinsen dürfte uns hier in Europa noch ein paar Jahre begleiten.

ZUR PERSON

Klaus Kaldemorgen hat Volkswirtschaftslehre studiert und zählt heute zu den bekanntesten Fondsmanagern Deutschlands. Er ist seit 1982 bei der DWS als Fondsmanager tätig; auch ist er Mitglied der Geschäftsführung der DWS Holding & Service. Seit 2011 managt er den Total-Return-Fonds DWS Concept Kaldemorgen. [ DWS]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2015)

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