Kommt das Ende des Euroverfalls?

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Der Euro stürzte in einem Jahr um 22 Prozent gegenüber dem US-Dollar ab. In Zukunft wird es nicht mehr so einfach für Anleger, vom fallenden Euro zu profitieren.

Wien. Etwas mehr als ein Dollar – nur noch so viel ist der Euro heute wert. Wenn es einen Chart gibt, der die ungleiche wirtschaftliche Entwicklung zwischen den USA und der Eurozone verdeutlicht, dann ist es der Euro-Dollar-Währungskurs. An diesem Währungspaar ist zu erkennen: Der Euro befindet sich seit Monaten auf Talfahrt. Die Geschwindigkeit, mit der es rasant bergab geht, hat viele Ökonomen und Analysten allerdings überrascht. Seit einem Jahr hat sich der Außenwert der europäischen Gemeinschaftswährung um 22 Prozent zum Dollar verringert.

„Die Presse“ schrieb an dieser Stelle Anfang September, dass ein breitflächiges Investment in US-Aktien in den nächsten Monaten ein gutes Geschäft sein würde, da die Anzeichen schon sehr deutlich waren, dass der Euro zum US-Dollar deutlich an Wert verlieren würde und die Aussichten auf Währungsgewinne verlockend waren. Für die Anleger, die das Risiko wagten, kam es deutlich besser als erwartet. Denn die Berechnungen wurden unter der Annahme durchgeführt, dass der Euro auf 1,25 Dollar sinken würde. Stattdessen ist er heute nur noch knapp über einen Dollar wert.

Ein Szenario: Ein Anleger hat tatsächlich im September in US-Aktien investiert und hat – vereinfacht gesagt – mit 20.000 Euro den Leitindex Dow Jones abgebildet. Allein der Aktienkursanstieg wäre schon ordentlich gewesen, da der Leitindex seit damals um fünf Prozent gestiegen ist. Aber noch schwerer wiegen die Währungsgewinne. Denn dank des Eurorückgangs hat das Aktienpaket nicht nur um fünf Prozent an Wert zugenommen, sondern um 15 Prozent (in Euro gerechnet) innerhalb von sieben Monaten (Kosten und Steuern wurden in der Berechnung noch nicht berücksichtigt).

Währungsspekulation ist jetzt riskanter

Kann es für Anleger noch besser kommen? Oder nimmt der Dollaraufschwung zum Euro ein Ende?

In den USA liegt der Leitzins derzeit bei null bis 0,25 Prozent. Im Juni könnte die US-Notenbank Fed den ersten Schritt heraus aus der ultralockeren Geldpolitik wagen, spekulieren Analysten nach der regulären Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed am Mittwoch. Die Notenbank strich den Passus, wonach sie bei der Normalisierung ihrer Geldpolitik „geduldig“ vorgehen wolle.

Während also die Europäische Zentralbank (EZB) die Eurozone mit Geld überflutet und bis zum Herbst des kommenden Jahres für über eine Billion Euro Staatsanleihen aufkaufen wird, überlegt die Fed in den USA ein wohldosiertes Ende des ultrabilligen Geldes. Auf den ersten Blick bewegen sich die Euro- und die Dollargeldpolitik in verschiedene Richtungen. Trotz dieser Nachrichten kam der Euro in der Vorwoche nicht stark unter Druck. Wohl deswegen, weil sich Investoren deutlich klarere Worte von der US-Notenbank erwartet hatten. Aber so einfach ist die Sache für die Zentralbanker auch wieder nicht. Die Industriekonjunktur in den USA dümpelt weiter dahin. Der Philadelphia-Fed-Index für das produzierende Gewerbe nahm im März sogar ab, obwohl Ökonomen mit einem deutlichen Anstieg gerechnet hatten. Schon sehen einige Analysten ein Ende des Euroverfalls. „Während die ganze Welt die Erwartungen für den Eurokurs nach unten schraubt, nehmen wir eine entgegengesetzte Richtung ein“, schreiben die Währungsanalysten der britischen Großbank HSBC. Die Deutsche Bank hingegen hält es für möglich, dass der Euro langfristig auf unter einen Dollar abrutschen könnte.

Fazit: Für jene Anleger, die erst jetzt an ein US-Aktieninvestment denken, um künftig an einem möglichen Eurorückgang mitnaschen zu können, ist die Lage heute deutlich riskanter als noch vor Monaten. Auf einem anderen Blatt steht, ob man sich da allzu sehr auf die Prognosen großer Banken verlassen sollte. Nicht nur, weil das eine oder andere Institut schon in Skandale verwickelt war, sondern auch, weil die großen Player auf dem Währungsmarkt auch Eigenziele verfolgen. Da stellt sich die Frage, ob ihre Prognosen wirklich immer nur dazu dienen, gehaltvolle Informationen an Anleger weiterzugeben. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2015)

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