Börsen: Bullen werden langsam unheimlich

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Trotz der jüngsten Korrektur an den Börsen glauben Experten, dass die Rallye weitergeht. Dafür sorgt die Geldschwemme. Doch dürfte es häufiger zu Ausschlägen nach unten kommen.

Wien. In den vergangenen Tagen haben die Börsen ein wenig korrigiert. Doch so gut wie im ersten Quartal war es in Europa schon lang nicht mehr gelaufen. Fast alle wichtigen Börsenindizes konnten zweistellige Zuwachsraten erzielen. Ein derart starkes Vierteljahr gab es seit 1998 nicht mehr. Richtig schlecht lief es heuer nur für den angeschlagenen Peripheriestaat Griechenland. Die Athener Börse weist ein zweistelliges Minus aus.

Ob die Steigerungsraten bis Jahresende durchgehalten werden, wird von vielen zunehmend bezweifelt. Die Wahrscheinlichkeit einer schärferen Korrektur wächst. Rückgänge von über zehn Prozent hält Alfred Reisenberger von der Valartis Bank indes für unwahrscheinlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, was einen solchen Einbruch auslösen könnte“, sagt Reisenberger – abgesehen von politischen Komponenten, die seiner Meinung nach immer schlagend werden könnten. Gewinnmitnahmen seien durchaus auch möglich.

Schwacher Euro hilft

Grund für den Optimismus ist die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank, die die Börsen in diesem Jahr kräftig hat steigen lassen. Der niedrige Ölpreis und der günstigere Euro unterstützen zudem die exportorientierten Firmen. Im ersten Quartal dieses Jahres belief sich der Durchschnittskurs der Gemeinschaftswährung noch auf rund 1,16 Dollar. Im Vorjahr waren es 1,36 Dollar gewesen. Reisenberger erwartet im laufenden Jahr einen Gewinnanstieg der Unternehmen von zehn bis zwölf Prozent. Kaum überraschend kommt daher seine Empfehlung, auf europäische Aktien zu setzen.

Auch Thomas Neuhold von Kepler Cheuvreux rät Aktionären noch nicht zum Ausstieg. Historisch betrachtet seien vor allem US-Aktien teuer: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist im historischen Vergleich hoch, das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) ist zwar niedriger als 1998 (kurz bevor die New-Economy-Blase) geplatzt ist, aber ebenfalls sehr hoch.

Europa sei aber relativ günstig, vor allem die ATX-Werte seien gemessen am KBV billig, meint Neuhold. Und in Relation zu den weiter fallenden Staatsanleihenrenditen seien Aktien generell nicht teuer: Für Staatsanleihen von Staaten mit Investmentgrade erhalte man im Schnitt eine Rendite von 0,85 Prozent, das ist ein historisches Tief. So niedrige Anleiherenditen machen Aktien relativ attraktiver.

Europa profitiere vom „Triple-Growth-Schock“: dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Euro und dem Kreditwachstum dank der Geldschwemme. Unter den Wiener-Börse-Titeln findet Neuhold den Caterer Do&Co attraktiv: Dieser profitiere von der Konsumnachfrage wie auch der verbesserten Situation der Luftfahrtbranche. Der Buwog kämen das billige Geld und die steigenden Wohnimmobilienpreise zupass. Wer mehr Risiko eingehen wolle, könnte auch mit Immofinanz- oder Raiffeisen-Aktien auf eine Entspannung der Russlandkrise setzen.

Der Bullenmarkt sollte also anhalten– sofern nicht Risken schlagend werden. Ein solches wäre eine restriktivere Geldpolitik, meinte Neuhold vergangene Woche auf einer Veranstaltung von „Der Börsianer“ und Metrum Communications. Derzeit sehe es jedoch so aus, als würde sich die Zinsanhebung in den USA verschieben. Ein weiteres Risiko wäre eine Wachstumsabschwächung in den Schwellenländern. Auch unvorhergesehene oder unterschätzte Risken (sogenannte Black Swans und Grey Swans) könnten der Rallye ein Ende bereiten. So könnte ein Grexit (Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone) den Märkten kurzfristig zu schaffen machen.

Rückenwind für Biotech

Auch Paul Severin von der Erste Sparinvest hält Aktien nicht für überteuert. Die Differenz zwischen der Gewinnrendite von Aktien (umgekehrtes Kurs-Gewinn-Verhältnis) und der Rendite deutscher Staatsanleihen sei seit Jahresbeginn weiter gestiegen. Voraussetzung dafür, dass der Bullenmarkt anhalte, sei jedoch, dass sich die globale Erholung fortsetze. Relativ attraktiv findet Severin osteuropäische Aktien, bei russischen rät er allerdings zur Vorsicht, dort sei die Lage schwer einzuschätzen.

Unter den Branchen gibt er Technologie- und Biotech-Werten den Vorzug. Letztere schlagen sich allerdings seit Jahren besser als der Markt. Gesundheitstitel verzeichneten in den vergangenen Jahren stets zweistellige Zuwächse. Tazio Storni, Senior Investment Manager bei Pictet Asset Management, glaubt, dass das so weitergehen wird, und zwar aus drei Gründen: Die Innovationen würden neue Marktchancen eröffnen, die Bevölkerung in den Industrieländern altere, und die Gesundheitsausgaben in den Schwellenländern steigen dank des wachsenden Wohlstands.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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