Der Aktienmarkt und seine „Macher“

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Market Maker. Vor allem auf regionalen Börsen wie in Wien könnte der Fließhandel ohne die „Marktmacher“ nicht richtig funktionieren. Die Kümmerer im Hintergrund sorgen laufend für ausreichend Liquidität.

Wien. Gehört haben die meisten schon einmal von ihnen: den „Market Makern“ an den Börsen. Aber was diese Marktmacher auf ihrem Markt tatsächlich machen, und vor allem wie und warum, das bleibt für den Laien auf dem Parkett in der Regel ins Dunkel gehüllt. Höchste Zeit, diese Heinzelmännchen des Aktienhandels ins Rampenlicht zu rücken. Denn man muss ihnen dankbar sein: Jede kleinere Börse, die nicht nur höchst liquide Titel im Programm hat, braucht ihre Hilfe. Ohne sie wäre ein reibungsloser Fließhandel, bei dem alle Aufträge prompt ausgeführt werden können, nicht in dem Ausmaß möglich.

Auch die Wiener Börse hat ihr Marktmodell stark auf diese Liquiditätsanbieter ausgerichtet: Bei jedem ATX-Titel sorgen ein „Specialist“ und meist mehrere Market Maker dafür, dass die Aktie auch zu flauen Zeiten permanent handelbar ist. Oft stehen dahinter große Banken wie die Erste oder Raiffeisen, oft aber auch kleinere Spezialinstitute oder Wertpapierhandelshäuser. Die Umsätze am Börseplatz Wien stiegen in der letzten Zeit rapide an: Im Vorjahr um 22Prozent, heuer bis April nochmals um mehr als ein Viertel. Im Gleichklang damit steigt die Zahl der Betreuungsmandate, von 97 im Jahr 2011 auf 246 aktuell.

Betreuung statt Auktionen

Wie aber sorgen die Market Maker dafür, dass das Werkel immer läuft? In gewissem Sinne erinnern sie an die Hüter des Handels in der guten alten Zeit. Damals schrieben Makler noch alle Kauf- und Verkaufsaufträge fein säuberlich in ein Orderbuch. Waren genug Anfragen beisammen, stellten sie einen Preis – und zwar so, dass möglichst viele Orders erfüllt und das größtmögliche Umsatzvolumen realisiert werden konnte. Oder die Auktionatoren: Sie sammelten Aufträge, um sie dann zu versteigern.

Im elektronischen Handel hat man den Eindruck, alles würde der Computer „machen“. Er sucht einen Interessenten auf der Gegenseite, mit dem man sich „matcht“, also zum vorgeschlagenen Preis handelseins ist – und im Nu ist der Auftrag ausgeführt. Einen Vermittler scheint es nicht mehr zu brauchen.

Doch dieser Eindruck täuscht. Denn um stets ein Gegenüber für seinen Auftrag zu finden, braucht es ein bisschen Nachhilfe. Nur die fünf stärksten ATX-Titel sind so liquide, dass sie auf eine Betreuung ganz verzichten könnten. Bei anderen Papieren stünde man immer wieder vor der Situation, dass es keinen Gegenpart gibt und der Auftrag nicht ausgeführt werden kann.

Was lässt sich dagegen tun? Die eine Möglichkeit ist, so wie früher Aufträge und Liquidität anzusammeln – wenn auch auf elektronischem Wege. Das nennt man dann Auktionsprinzip. Auch heute beginnt und endet der Handelstag an der Wiener Börse mit einer Versteigerung, die den Zweck hat, Liquidität zu poolen und auch große, noch offen gebliebene Orders institutioneller Investoren ausführen zu können.

Das ergänzende Prinzip ist das des Market Maker. Er sammelt nicht, sondern stellt auf eigene Rechnung und Risiko zusätzliche Liquidität ins Auftragsbuch. Dazu verpflichtet er sich vertraglich gegenüber der Börse. Konkret sieht seine Arbeit so aus: Der Market Maker bietet allen Marktteilnehmern von vornherein an, sie als Gegenpart prompt zu bedienen – zu seinen „Quotes“. So heißen die von ihm gleichzeitig festgesetzten An- und Verkaufskurse. Er verdient dann am sogenannten Spread, der Marge zwischen dem niedrigeren Geldkurs, zu dem er kauft, und dem höheren Briefkurs, zu dem er verkauft.

Doch der Gegenpart muss sich nicht sorgen, dass er übervorteilt wird. Dafür sorgt schon der maximale Spread, zu dem sich der Market Maker – zusammen mit Mindestmengen – gegenüber der Börse verpflichten muss.

Pausen sind erlaubt

Das Übrige erledigt der Wettbewerb. Legt der Market Maker seine Marge zu breit an, geht sein Umsatz zurück. Setzt er seinen Geld- oder Briefkurs falsch, kumulieren sich bei ihm die Positionen. Damit ist gewährleistet, dass die Betreuer für marktgerechte Preise sorgen. Sie selbst sind freilich den Fährnissen der Marktentwicklung ausgesetzt. Besonders bei fallenden Kursen und hoher Volatilität haben sie ein Verlustrisiko.

Um ihre Preise auf solche Turbulenzen neu einstellen zu können, erlaubt ihnen die Wiener Börse, ein Fünftel der Zeit eines Handelstages nicht zu quotieren – ein Spielraum, den die meisten nicht ausnutzen.

Strenge Vorgaben, Konkurrenzdruck, Verlustrisiko – unter solchen Bedingungen scheint das Geschäftsmodell des Market Making nicht sonderlich attraktiv zu sein. Wenn da nicht zusätzliche Anreize wären: Die Börse bietet den Marktmachern für ihre Zusatzliquidität deutlich reduzierte Transaktionskosten: nur einen statt drei bis vier Basispunkte. „Ohne diesen Vorteil würden wir es nicht machen“, sagt Johannes Hämmerle von der Raiffeisen Centrobank, die mit 37 Mandaten die Nase vorne hat.

Der Specialist, der für jeden Titel im Prime Market jährlich neu ausgeschrieben wird, zahlt keine Gebühren. Im Gegenzug muss er sich zu hohen Mengen und besonders engen Margen verpflichten. Auch sein Risiko ist größer: Weil er öfter handelt, ist er stärker Schwankungen ausgesetzt. Doch das Interesse am Bieterverfahren ist groß.

Mensch schlägt Maschine

Wie sieht der Arbeitsalltag eines Market Maker aus? Traditioneller als man denkt. Zwar gibt es „Quote Machines“, die Preise voll automatisch stellen. Aber immer wieder greift der Händler ein. Bei der Centrobank muss er ein Experte für seine Aktien sein, „wenn auch nicht in der fundamentalen Tiefe wie der Analyst“, erklärt Hämmerle. „Aber er beobachtet das Orderbuch den ganzen Tag – und sollte deshalb wissen, wie die Aktie tickt.“

Noch stärker setzt Silke Schlünsen von der Oddo Seydler Bank auf menschliche Expertise: „Bei uns wird jede Order manuell eingestellt, das sorgt für marktgerechtere Kurse.“ Das spezialisierte Institut ist Marktführer in Deutschland und betreut 34 Mandate in Wien. „Ein lukratives Geschäft ist das Market Making nur, wenn der Händler eine fundierte Meinung zu der Aktie hat.“ Sonst sind im Trubel des Geschehens „schnell mal 10.000Euro verloren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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