Auf der Suche nach dem großen Geld

Boerse Wien
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Investoren. Mit der zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte und der wachsenden Zahl an Börsengängen rückt Investor Relations ins Rampenlicht. Die Aufgaben sind vielfältig, aber auch heikel: Fehler sind schwer gutzumachen.

Wien. Es gibt kaum ein Ereignis, das ein Unternehmen stärker tangiert, alles Handeln und Tun in einen neuen Kontext stellt: Der Börsengang eröffnet einem Unternehmen nicht nur neue Möglichkeiten der Geldbeschaffung – es steht damit auch voll in der „Auslage“. Große und kleine Investoren, Fondsmanager, Bankanalysten, Branchenbeobachter und natürlich die Konkurrenz: Die ganze Welt hat die Firma rund um die Uhr auf dem Radarschirm. Transparenz sei daher das Um und Auf guter Investor-Relations-Arbeit, sagt Felix Rüsch, Leiter des Bereichs bei der OMV.

„Es genügt nicht, einfach eine Ad-hoc-Meldung rauszuknallen – auch wenn der richtige Inhalt zum richtigen Zeitpunkt manchmal gar nicht so einfach zu treffen ist“, sagt Elke Koch, seit rund einem Jahr beim Hightech-Konzern AT&S für Investor Relations und Kommunikation verantwortlich. Quartals- und Halbjahresberichte sowie der jährliche Geschäftsbericht seien sozusagen das Tragwerk, auf dem Investor Relations (IR) aufbaue.

Ständiger Dialog

„Es geht um permanente Kommunikation, um den ständigen Dialog mit den Vertretern des Kapitalmarkts“, beschreibt der Leiter der IR bei der Österreichischen Post, Harald Hagenauer, sein Aufgabengebiet. „Und zwar in guten und in schlechten Zeiten“, ergänzt Koch. Und das meint sie wörtlich: „Es gibt nichts Schlimmeres, als sich in kritischen Phasen – ob bei schlechten Zahlen, wenn ein Schrumpfungsprozess ansteht oder eine Investition nicht wie gewünscht aufgeht – zu verstecken.“ Hat man einmal die Erwartungen enttäuscht, sei es enorm schwierig, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Beispiele dafür gibt es genügend – nicht nur in Österreich. Wobei es nicht nur auf den IR-Manager ankommt und nicht allein um Zahlen geht. Ein ungeschicktes Verhalten des Konzernchefs, ein öffentlich ausgetragenes Hickhack im Vorstand, Eigentümer, die sich über Strategien streiten: Die Liste der Fauxpas ist unendlich lang.

Überhaupt: Spricht man mit IR-Managern heimischer Konzerne, so fällt vor allem ein Wort: Vertrauen. „Wer eine Vertrauensbasis aufgebaut hat und damit eine gute Bewertung generiert, die wiederum die Nachfrage nach der Aktie anregt – wer das schafft, hat es richtig gemacht“, erklärt Hagenauer. Was so einfach klingt, ist beinharte Knochenarbeit. Nicht nur, weil IR-Manager im Schnitt 40 Tage im Jahr auf Roadshows sind, auf denen sie allein oder mit dem Vorstand das Unternehmen, die Strategie und die Zahlen institutionellen Investoren präsentieren.

Wie man sich das vorstellen muss? „Ich erzähle an einem Tag achtmal dieselbe Geschichte – mit derselben Begeisterung, demselben Ernst und derselben Überzeugungskraft“, erzählt Koch. Nach dem letzten Treffen beim Diner geht es zum Flughafen und am nächsten Tag beginnt in einer anderen Stadt mit anderen Investoren die Show von Neuem.

Hagenauer ist gerade in den USA: San Francisco, Los Angeles, Minneapolis, New York, Toronto in sechs Tagen. Warum ersetzt man heutzutage solche kraftraubende Parforceritte nicht durch Videokonferenzen? Die Antwort kommt prompt: „Am persönlichen Kontakt führt kein Weg vorbei, viele Fonds dürfen gar nicht investieren, wenn sie das Topmanagement eines Unternehmens nicht zumindest einmal gesehen haben“, erzählt Peter Fleischer, IR-Chef bei der Voestalpine. Es gehe um den persönlichen Eindruck – passen die Zahlen, die die Investmentstory untermauern, mit dem allgemeinen Eindruck zusammen? Erst wenn ein Investor das Geschäft des jeweiligen Unternehmens verstünde, stecke er auch sein Geld hinein.

Bei einem Hightech-Unternehmen wie der AT&S bedürfe es besonders intensiver Informationsarbeit, sagt Koch. Aber auch in einer volatilen Branche wie dem Ölgeschäft der OMV. Da gelte es, auch Risken offen anzusprechen. Denn „Überraschungen sollte man meiden“, meint Rüsch. Womit wir wieder beim Vertrauen sind.

Welche Fonds will ich?

Jede Branche braucht und hat natürlich auch unterschiedliche Investoren. Bei der AT&S spielen Wachstumsfonds eine große Rolle, bei der Post stehen die großen Pensionsfonds im Vordergrund. Um neue Investoren zu finden, sieht man sich einerseits in der Peergroup um, andererseits orientiert man sich an Empfehlungen. Und man nützt Profis, die regelmäßige Studien zu Investoren erstellen. Es geht ja nicht nur darum, einen Investor zu finden, sondern ihn auch bei der Stange zu halten. „Wir stehen ja im weltweiten Wettbewerb mit anderen Konzernen um Geldgeber“, sagt Fleischer. Da bedürfe es intensiver Überzeugungsarbeit.

„Das oberste Prinzip meiner Arbeit besteht darin, die Erwartungshaltungen der Marktteilnehmer zu managen“, erklärt Hagenauer. Das heißt: „Wir – alles geschieht in Abstimmung mit dem Vorstand – müssen uns überlegen: Was ist unsere Investmentstory? Und die müssen wir dann klar und konsistent kommunizieren“, sagt Rüsch.

Die Post sei bekanntermaßen „kein brüllendes Wachstumsunternehmen“, wie Hagenauer betont, Deshalb müsse man den Investoren klarmachen, dass der gelbe Riese sein Geschäft vor allem auf die Logistiksparte ausrichte und dort expandiere. Und im Briefgeschäft werde mit neuen Services der dem Internet geschuldeten Schrumpfung gegengesteuert. Das garantiere weiterhin steigende Gewinne und solide Dividenden.

Optimales Zusammenspiel

Will ein Unternehmen in diesem Haibecken der Hochfinanz bestehen, gilt es, praktisch rund um die Uhr Kontakte zu den wichtigsten Multiplikatoren der Finanzwelt und auch der Wirtschaftsmedien zu pflegen und gleichzeitig die zentrale Anlaufstelle für alle Anfragen zu sein. Das setzt nicht nur ein umfangreiches Wissen über die Mechanismen der Finanzmärkte und des eigenen Unternehmens voraus, der IR-Verantwortliche muss auch die ganze Branche sowie politische Entwicklungen, die die Wirtschaft beeinflussen, im Auge behalten.

„Was zählt, ist das Zusammenspiel zwischen dem Konzern, den Fonds und den Analysten“, so Hagenauer. Denn die Fonds geben zwar das große Geld (und die Privatanleger das kleine), aber die Analysten beeinflussen mit ihren Empfehlungen die Kursentwicklung. „Je mehr Information sie erhalten, desto höher ist die Chance für eine konsistente Einschätzung“, sagt Fleischer. Natürlich ärgere er sich auch über Analysten. Dann liege es am Unternehmen, noch mehr Infos zu liefern und Missverständnisse auszuräumen. Eines gilt immer: professionell bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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