US-Aktien: Billig ist jetzt auch schon teuer

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Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17,6 sind Banken die günstigsten Aktien im breiten Aktienindex Standard & Poor's 500. Doch von einem Schnäppchen kann man hier nicht mehr sprechen.

New York. Selten zuvor war es so teuer, niedrig bewertete US-Aktien zu kaufen. Der Mangel an preiswerten Papieren stellt eine Herausforderung für Investoren dar, seit die seit sechs Jahren andauernde Rallye den Marktwert der Aktien im breiten US-Index S&P 500 um 17 Billionen Dollar nach oben getrieben hat.

„Investoren werden in den Aktienmarkt gezogen, obwohl sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, denn es gibt wirklich keine bessere Option– auch wenn die Bewertungen nicht günstig sind,” sagt Tom Mangan, Vermögensverwalter bei James Investment Research in Xenia, Ohio. „Anleger müssen unterbewertete Aktien einzeln heraussuchen, nicht nach Sektor.“

Derzeit, genauer gesagt seit März dieses Jahres, sind im S&P 500 Banken die preiswerteste Branche. Doch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von im Median 17,6 (auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate) ist das keineswegs ein Schnäppchen. Nur einmal wies die günstigste Branche ein höheres KGV auf.

Aktien mit der Lupe suchen

Die allgemeine Bewertung im S&P 500 liegt gleichwohl nicht weit über dem historischen Durchschnitt: Mit 18,8 befindet sich das KGV rund 2,4 Punkte über dem Zehn-Jahres-Mittel und 38 Prozent unter dem Rekordwert aus dem Jahr 1999. Unter der Oberfläche lässt sich ein Bewertungsmuster aufzeigen, das auf die Breite des Bullenmarktes verweist. Da nur wenige Aktien seit 2009 dem Markt hinterherhinken, ist so gut wie nichts mehr günstig. Indikatoren für Marktbreite zeigen, was aus den Schnäppchen im Verlauf der Hausse geworden ist. Die Kurse von durchschnittlich 379 Unternehmen im Börsenbarometer sind in jedem der sechs Jahre von 2009 bis 2014 gestiegen, im Vergleich zu 307 in den 1990er-Jahren, wie aus Daten von Bloomberg hervorgeht. Eine weitere Messmethode ist ein Vergleich des S&P 500– ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Index– mit dem S&P 500 Equal Weight Index, in dem dieser Faktor bereinigt ist. Größere Gewinne im gleichgewichteten Index weisen darauf hin, dass die Kursgewinne sich unter den Mitgliedern verbreitet haben.

Aktuell liegt der gleichgewichtete Index beim 1,58-fachen der Kurse im S&P 500; am 6. April war der Index auf das 1,6-fache gestiegen. Das waren die höchsten Werte seit Beginn der Aufzeichnung 1990.

Gene Peroni von Advisors Asset Management in Pennsylvania gehört zu den Vermögensverwaltern, die in der Vereinheitlichung der Bewertungen im S&P 500 eine Chance sehen. Dies sei weniger eine Erschwernis für das Herauspicken von Aktien als vielmehr ein Zeichen, dass Wachstum die Wirtschaft durchdringe. „Höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse jagen mir keine Angst ein, in Anbetracht des Stadiums im Marktzyklus, in dem wir uns befinden. Dieses Stadium ist tendenziell ohnehin das aufregendste und lohnendste.“

Gewinne werden sinken

Nach Ansicht von Doug Ramsey, Vermögensverwalter bei Leuthold Group, wird aber ohnedies zu viel Enthusiasmus die Hausse zu Fall bringen. Zu den Warnsignalen zählt er in einem Bericht vom Anfang Mai Umfragen, die ein hohes Maß an Zuversicht unter den Verbrauchern und großen Optimismus auf Seiten der Marktbeobachter aufzeigen, sowie die Beliebtheit von passiven Anlagestrategien.

Ramsey, der frühzeitig auf die Rallye setzte, hatte im vergangenen Jahr bereits die Aktienallokation im Tactical Fund von Leuthold verringert. Zur Begründung sagte er, die Unternehmensgewinne, die den Bullenmarkt anheizten, würden zu früh stagnieren. In einem Interview mit Bloomberg Radio sagte er kürzlich, im S&P 500 werde es in den zwölf Monaten von jetzt an zu einer Schrumpfung der Gewinne kommen. „Es wird in diesem Stadium des Konjunkturzyklus keine Stärkung der Margen geben“, sagt Ramsey. Seiner Ansicht nach handle es sich um einen überbewerteten Markt auf breiter Basis.

Zuletzt sind die Quartalsergebnisse der US-Konzerne stark zurückgegangen. Grund dafür war der seit dem Sommer des Vorjahres stark anziehende Dollar gegenüber dem Euro. Seit der Finanzkrise 2008 haben die US-Firmen unter dem Strich steigende Gewinne abgeliefert. Sie konnten ihre Kosten senken wie auch ihre Bilanzen bereinigen, was zu einer erhöhten Profitabilität führte. Damit dürfte vorerst Schluss sein. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2015)

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