Im Zweifelsfall auf Zykliker setzen

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Die Angst vor Griechenland und US-Zinserhöhung hat die Börsen ausgebremst. Doch bleiben Aktien in der Geldanlage das kleinere Übel. Am ehesten sollten konjunktursensible Werte vom Aufschwung in der Eurozone profitieren.

Wien. Geldanlage ist dieser Tage kein besonderes Vergnügen. Die Kurse sicherer Staatsanleihen sind eingebrochen, die Sparbuchzinsen noch immer bei nahezu null, der Goldpreis schwächelt – und auch die Aktienmärkte, die mit fulminanten Aufschlägen ins neue Jahr gestartet waren, schalteten im zweiten Quartal auf Seitwärtsmodus. Billig sind Aktien auch nicht mehr. Für US-Aktien bezahlt man derzeit das 17,7-fache der geschätzten Gewinne 2015, wie die Erste Group berechnet hat.

In Europa sind Aktien mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,7 noch deutlich günstiger bewertet. Ebenso niedrig bewertet sind österreichische Aktien, bei denen noch dazu die Gewinne heuer und nächstes Jahr (von einem niedrigen Niveau aus) überdurchschnittlich stark steigen dürften. Das Problem: Gerade an den europäischen Börsen, die einen sensationellen Start im ersten Quartal hingelegt hatten, hat sich ab April Ernüchterung breitgemacht.

Anleihen wenig attraktiv

Die Unsicherheit, ob es zu einem Grexit (Austritt Griechenlands aus der Eurozone) kommt und ob und wann die erste Leitzinserhöhung in den USA seit der Finanzkrise stattfindet, hat die Börsen ausgebremst. Einige Indizes, die zuvor besonders hochgeschossen waren, wie der Frankfurter DAX, haben sich von ihren Allzeithochs wieder deutlich wegbewegt. Viele Anleger– institutionelle wie private– setzen darauf, dass es im Zuge der Griechenland-Causa zu weiteren Turbulenzen an den Börsen kommt und sie zwischenzeitig günstig einsteigen können. Allzu viel sollte man sich von dieser Strategie aber nicht versprechen, denn das richtige Timing ist schwierig.

Trotz aller Unsicherheiten seien Aktien die bessere Anlageform, verglichen mit Anleihen, meint Alfred Reisenberger, Investmentchef bei der Valartis Bank. Denn bei Anleihen mit längerer Laufzeit sei das Zinsänderungsrisiko hoch (steigende Marktzinsen lassen normalerweise die Kurse von bestehenden Anleihen fallen, da es dann neue, attraktivere Anleihen mit höheren Zinsen gibt). Bei kurzer Laufzeit habe man die Wahl zwischen niedrigen bis negativen Zinsen – und höherem Risiko, indem man etwa Unternehmensanleihen kaufe.

Bleiben also Aktien. Die Gewinnrendite (Gewinn gemessen am Kurs) von US-Aktien liegt derzeit um 2,8 Prozentpunkte über der von zehnjährigen Staatsanleihen, in Europa beträgt die Differenz gar 4,2 Prozentpunkte. Diese Differenz war schon deutlich größer: Vor drei Jahren betrug sie in Europa etwa sechs Prozentpunkte. Seit damals sind Aktien relativ unattraktiver geworden, sie seien aber unter Renditegesichtspunkten noch immer deutlich attraktiver als Anleihen, meint Fritz Mostböck, Head of Group Research, bei der Erste Group. Vor allem betreffe das solche aus Europa.

Konjunktur hilft Autowerten

Auch Reisenberger rät zu europäischen und japanischen Aktien. Für Europa sprächen die starke Konjunkturerholung, die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank, der schwache Euro, der relativ geringe Verschuldungsgrad der Unternehmen und die steigende Dividendenausschüttung. Unter den Branchen favorisiert Reisenberger Banken wie die UniCredit oder die Deutsche Bank (trotz der jüngsten Turbulenzen) und Zykliker wie BMW. Zykliker sind konjunktursensible Branchen, die stärker mit der Konjunktur schwanken (etwa Autohersteller oder Industrietitel) als sogenannte defensive Werte (dazu zählen etwa Lebensmittel- oder Konsumgüterhersteller).

Grund ist, dass auch in Krisenzeiten Produkte wie Nahrungsmittel oder Waschmittel gekauft werden müssen. Mit dem Kauf von Neuwagen halten sich die Menschen indes zurück, bis die Konjunktur wieder anspringt. [ iStockphoto ]

Was Sie beachten sollten bei ... Aktien

Tipp 1

Streuen. Mit Aktien fährt man langfristig (über Jahrzehnte) besser als mit Anleihen oder mit dem Sparbuch. Das gilt aber nicht für jeden kurzen Zeitraum, nicht für jeden Markt und schon gar nicht für jede Aktie. Wer also auf Nummer sicher gehen will, muss breit streuen (über Regionen und Branchen) oder zu Fonds oder ETFs greifen.

Tipp 2

Absichern. Ob es sinnvoll ist, sich darüber hinaus mit „Stopp-Loss-Orders“ abzusichern (dabei wird automatisch verkauft, wenn die Aktie unter einen bestimmten Wert fällt), ist umstritten. Zwar vermeidet man so sehr große Verluste, realisiert aber unter Umständen viele kleine, ohne dass das sinnvoll wäre. Breite Streuung ist die bessere Absicherung.

Tipp 3

Timing. Ideal wäre es, immer dann zu kaufen, wenn die Aktienmärkte gerade stark gefallen sind, und immer dann zu verkaufen, wenn die Blase ihren Höhepunkt erreicht hat. Das gelingt jedoch kaum jemandem. Daher ist es ratsam, auch zeitlich zu streuen: Wer viel Geld auf einmal bekommt (etwa infolge einer Erbschaft), sollte nicht alles auf einmal in Aktien stecken.

Tipp 4

Anlagehorizont. Je langfristiger der Anlagehorizont, desto wahrscheinlicher ist es, dass man mit Aktien besser fährt als mit dem Sparbuch oder Anleihen. Wer das Geld jedoch schon in einem Jahr braucht, geht ein hohes Risiko ein, wenn er auf Aktien setzt. Im Jahr 2008 fiel etwa der ATX von 4500 auf zeitweise 1500 Punkte. So etwas passiert nicht oft, ist aber möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2015)

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