Märkte: Wackeln Gewinne aus erstem Halbjahr?

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Das erste Halbjahr brachte überwiegend Gewinne für Anleger aus der Eurozone. An den Anleihemärkten zeichnet sich jedoch eine Trendwende ab. Und an den Börsen dürfte die Griechenland-Krise weiter für schlechte Stimmung sorgen.

Wien. Die schweren Turbulenzen rund um Griechenland ließen ein wenig in den Hintergrund rücken, dass das erste Halbjahr für Anleger bisher ein äußerst erfreuliches war. Vor allem für solche aus der Eurozone. Dank des schwächeren Euro konnten sie mit Aktien aus fast allen Regionen Geld verdienen. Sogar der Goldpreis, der in Dollar nahe seinem Fünfjahrestief herumgrundelt, legte in Euro zu.

Die Aktienmärkte, auf denen man auf Sechsmonatssicht hätte Geld verlieren können, muss man regelrecht suchen. Die Ukraine war unter den 93 von Bloomberg erfassten Aktienmärkten der schlechteste. Ansonst liegen (auf Eurobasis) nur ein paar exotische Märkte wie Ghana, Kolumbien oder Sambia im Minus. Die russische Börse setzte hingegen von einem tiefen Niveau aus zur Erholung an.

Freilich: Wer auf die falschen Aktien setzte, verbrannte sich auch in gut laufenden Märkten die Finger. Etwa mit Versorgern: Die Papiere der deutschen Konzerne RWE und E.On zählen zu den schwächsten DAX-Werten, der Verbund ist einer der wenigen Verlierer im heimischen ATX (neben dem Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann und der Vienna Insurance Group). Hingegen konnte man mit Aktien, denen es seit Jahren gut geht, weiter Geld verdienen. Airbus legte um 40 Prozent, der spanische Modekonzern Inditex um 23 und Apple ebenfalls um 23 Prozent (auf Eurobasis) zu.

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Anleihekurse purzeln

Ein Trend überraschte allerdings– nicht mit seinem Eintreten, sondern mit seiner Stärke: Die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen schoss innerhalb weniger Wochen von nahezu null Prozent (im April) auf fast ein Prozent hoch. Inzwischen liegt sie bei etwa 0,84 Prozent. „Klingt nicht viel– macht für den Preis aber doch einiges aus“, stellt Schoeller-Bank-Experte Robert Karas in einer Aussendung fest. Der Kurs der aktuellen zehnjährigen Emission fiel von 104 auf 96. Ein Grund für die für Anleihen extremen Bewegungen dürften Absicherungsgeschäfte gewesen sein, meint Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Auch verbessere sich die Konjunktur in der Eurozone. „Es gibt keinen Grund mehr für langfristige Anleiherenditen von knapp über null Prozent.“

Seit Mitte April schwächeln auch die Aktienmärkte. Karas führt das zum Teil auf die Zinsentwicklung bei Anleihen zurück. Da es nun wieder etwas höhere Zinsen gibt, werden Aktien im Vergleich dazu unattraktiver. Dennoch setzt Karas weiter auf Aktien, angesichts der Griechenland-Krise derzeit aber eher auf solche außerhalb der Eurozone, etwa Japan.

Auch Stepan Mikolasek, Leiter des Aktienfondsmanagements bei der Erste Asset Management, sieht in der bevorstehenden Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed einen der Gegenwinde, die auf die Aktienmärkte wirken. Andere sind die Dollarstärke (die den Schwellenländern zu schaffen macht), eine mögliche harte Landung der chinesischen Wirtschaft– und der mögliche Grexit (Austritt Griechenlands aus der Eurozone).

Ein solcher hätte für die börsenotierten Unternehmen kaum direkte Auswirkungen. Doch könnte Krisenstimmung aufkommen, die die Anleger weg aus europäischen Aktien und hin zu US-Dollar, deutschen Staatsanleihen und Gold flüchten ließe. Wann sich Europas Aktienmärkte von dieser Phase der Unsicherheit erholen, sei nicht absehbar, meint Mikolasek.

Griechen setzen Osteuropa zu

Auf der anderen Seite gebe es auch Rückenwind für die Aktienmärkte. Die Geldpolitik der meisten Notenbanken (ausgenommen der US-Fed) dürfte locker bleiben, die Unternehmensgewinne steigen, den europäischen Märkten helfe der starke Dollar (anders als den Schwellenländern). Blase zeige sich auch noch keine. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse liegen in den USA leicht über dem historischen Durchschnitt, in Europa knapp darunter. Fazit: Europäische Aktien sind nicht zu teuer, angesichts der Griechenland-Krise momentan aber nicht erste Wahl.

Unter der Griechenland-Krise leiden übrigens auch die osteuropäischen Aktien, stellt Peter Szopo, Chef-Aktienstratege der Erste Bank fest: Immer dann, wenn das Griechenland-Risiko stärker wahrgenommen wird (wenn sich die Renditen griechischer Staatsanleihen stark von denen aus Italien, Spanien und Portugal absetzen), fallen die osteuropäischen Aktienmärkte. Die meisten Märkte haben zwar mit Griechenland wenig zu tun (ausgenommen Rumänien und Bulgarien). Doch ziehen sich Anleger in unsicheren Zeiten tendenziell aus Osteuropa zurück. Auch andere Schwellenländer geraten dann unter Druck. Seit Jahresbeginn bewegen sich die Schwellenländeraktien unter dem Strich seitwärts (wenngleich es in Russland oder China steil nach oben ging).

Gegenüber den entwickelten Märkten haben sich Schwellenländer-Aktien seit 2010 verbilligt, sind also jetzt relativ betrachtet billiger. Doch die US-Zinserhöhung, die viele im Herbst erwarten, dürfte vor allem Schwellenländer mit Leistungsbilanzdefiziten (Türkei, Brasilien, Südafrika) treffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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