Märkte: Damoklesschwerter Grexit, China und Zinsen

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Zwischen Grexit-Ängsten und China-Blase zeigen sich die Börsen vorerst relativ robust. Auf Kursrückgänge folgten bis jetzt stets starke Gegenbewegungen. Doch könnte sich eine der Gefahren auch zuspitzen.

Wien. Die Börsen verhielten sich in der vergangenen Woche manisch-depressiv. Auf das Nein der Griechen zu den vorgelegten Sparplänen sowie das Platzen der Blase in China reagierten sie zunächst mit starken Rückgängen. Als sich an beiden Fronten leichte Entspannung abzeichnete, schossen sie hoch – obwohl die Probleme längst nicht gelöst sind, von weiteren Gefahren wie der möglichen Zinserhöhung in den USA ganz abgesehen.
Die Angst der Investoren vor einem Crash scheint sich in engen Grenzen halten. Sie hoffen vielmehr, dass die schwelenden Krisen immer wieder günstige Einstiegskurse bieten. Ob diese Einschätzung stimmt, muss sich erst herausstellen. Folgende Probleme dürften in den nächsten Monaten für Turbulenzen sorgen:

► Griechenland-Krise: Nach dem Nein der Griechen zu den Sparvorgaben der Gläubiger ist es zwar vorerst zu keinem Grexit (Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone) gekommen. Ausgestanden ist die Causa längst nicht. Weder ist ein Grexit vom Tisch noch hat das Land die nötigen Strukturreformen durchgeführt, um der Wirtschaft zu einem nachhaltigen Aufschwung zu verhelfen. Auch für die Aktienmärkte ist das nichts Gutes. IWF-Chefökonom Olivier Blanchard hält die wirtschaftlichen Gefahren eines Grexit zwar für überschaubar – ausgenommen für Griechenland selbst. „Der Rest der Welt würde das vermutlich ganz gut überleben“, sagte er am Donnerstag in Washington. „Das Gerangel um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone hat die Ausgangslage auf den Kapitalmärkten nicht verändert“, meint auch HSBC-Investmentexperte Christian Heger in einem Marktkommentar. Doch mögen die Märkte vor allem eines nicht: Unsicherheit. Jede Zuspitzung der Krise kann dazu beitragen, dass die Anleger risikoaverser werden, sich also aus Aktien zurückziehen. Wie immer die Griechenland-Causa weitergeht, die Unsicherheit hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Folgen dürfte auch im laufenden Quartal für erhöhte Volatilität auf den Aktien-, Anleihen- und Währungsmärkten sorgen, meint Christian Ramberger von der Allianz Invest Kapitalanlagegesellschaft.


► China-Blase: Im Schatten der Griechenland-Causa spielt sich ein anderes Drama auf den Märkten ab, das die meisten Experten für gefährlicher halten: das Platzen der Aktienblase in China. Der Shanghai Composite, der sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt hatte, fiel binnen weniger Wochen um 30 Prozent. Die chinesische Regierung verbot daraufhin kurzerhand Anlegern, die mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten, diese in den nächsten sechs Monaten zu verkaufen. Wie nachhaltig diese Maßnahme ist, ist fraglich. Betroffen ist vorerst nur der Markt für chinesische A-Aktien (solche werden primär von Chinesen gehandelt, Ausländer dürfen das nur eingeschränkt tun). Bleibt die Frage, ob das Platzen einer Blase dazu führt, dass auch anderswo Blasen platzen. „Das Risiko von Asset-Blasen ist jederzeit gegeben, abgesehen vom chinesischen Markt für A-Aktien fehlen dafür aber bisher die Anzeichen“, meint HSBC-Experte Heger. Doch die Börsen in Hongkong und Tokio haben zeitweise stark auf die Turbulenzen in China reagiert, auch die jüngste Schwäche deutscher Autoaktien dürfte damit zusammenhängen. „Es besteht die Gefahr, dass der Börsenabsturz Chinas Wachstumsraten noch weiter einbrechen lässt, was zweifellos negative Folgen für die Weltwirtschaft hätte“, sagte Sandra Heep, Expertin des China-Instituts Merics in Berlin, zur Deutschen Presse-Agentur. Vereinfacht gesagt: Chinesischen Kleinanlegern, die sich verspekuliert haben, könnte das Geld fehlen, um etwa deutsche Autos zu kaufen. Derlei Dinge könnten schwere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Matthew Sutherland, Asien-Experte bei Fidelity, hält die Gefahr aber für begrenzt und schreibt in einem Marktkommentar: „Insgesamt haben im Vergleich nur wenige chinesische Haushalte an der Börse investiert.“

► US-Zinserhöhung: Vom September war die Rede, dann gingen die meisten Experten von einem späteren Zeitpunkt aus, nun gilt der September wieder als wahrscheinlichster Zeitpunkt für die erste Anhebung der US-Leitzinsen seit der Finanzkrise. Zinserhöhungen sind grundsätzlich negativ für Aktien. Geld, das mangels Alternativen in diese Märkte geflossen ist, könnte abgezogen werden. Doch haben die Aktienmärkte in der Vergangenheit Zinserhöhungen recht gut verkraftet, da solche Schritte meist in einem besseren Konjunkturumfeld erfolgen. Die Allianz-Experten erwarten daher auf dem US-Markt „keine nachhaltige Korrektur“. Zumal andere Notenbanken wie die Europäische Zentralbank oder die Bank of Japan die Geldschleusen noch länger geöffnet halten werden. Doch rät Martin Bruckner von der Allianz Investmentbank, europäische und japanische Aktien gegenüber amerikanischen Papieren zu bevorzugen. Bei Schwellenländerpapieren sollte man Vorsicht walten lassen. US-Zinserhöhungen wirken sich auf diese Märkte überdurchschnittlich negativ aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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