Aktien: Neigt sich der Technologieboom dem Ende zu?

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Während die Kurse von Online-Videoanbietern, Softwarefirmen und Netzwerkausrüstern hochschießen, leiden viele Halbleiterhersteller unter der Abkühlung in China und der sich abschwächenden Nachfrage nach Smartphones.

Wien. Aktionäre von Technologiefirmen haben in den vergangenen Wochen zahlreiche Überraschungen erlebt. Deren Richtung (positiv oder negativ) war jedoch höchst unterschiedlich. So schoss die Amazon-Aktie nach Bekanntgabe ihrer Zweitquartalszahlen um 20Prozent auf einen neuen Rekordwert hoch: Das Unternehmen hatte von April bis Juni unerwartet einen kleinen Gewinn geschafft und zudem hohe Kundenzuwächse für das zahlungspflichtige Prime-Angebot verzeichnet.

Google verteuerte sich am Tag nach der Präsentation seiner Vierteljahreszahlen um 16 Prozent. Der Suchmaschinenanbieter konnte seine Werbeerlöse überraschend deutlich steigern. Die Twitter-Aktie legte nach der Zahlenvorlage dank der starken Umsatzzuwächse ebenfalls knapp zweistellig zu– bevor eine Rede des Unternehmenschefs das Papier schwer abstürzen und inzwischen auf ein Allzeittief fallen ließ. „Es kam zuletzt sehr stark auf den Ausblick der Unternehmen an“, stellt Leopold Salcher, Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG, fest. Bei den Zahlen sei die Differenz zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen Vorlagen nicht so groß gewesen. Wohl aber beim Ausblick.

Twitter-Ausblick missfiel

Und so wurden Unternehmen, die passable Zahlen bekannt gegeben haben, deren Ausblick aber schlecht war, abgestraft: Twitter-Chef Jack Dorsey hat nach der Präsentation der an sich guten Zahlen erklärt, es falle dem Kurznachrichtendienst schwer, neue Nutzer zu finden. Twitter sei zu kompliziert. Das erst löste den Absturz der Aktie aus.

Generell seien die Aussichten der Technologiefirmen angesichts des ökonomischen Abschwungs in China und anderen Schwellenländern unsicherer geworden, sagt Salcher. Die Nachfrageschwäche in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) bekam zuletzt etwa der Computerriese IBM zu spüren. „Viele Technologieunternehmen haben ein starkes China-Exposure“, stellt Salcher fest. Negative Auswirkungen verspürten unter anderem Chiphersteller, deren Abnehmer etwa Auto- oder Smartphonehersteller sind.

Im Schnitt waren die vergangenen Monate für Inhaber von Technologieaktien aber erfreulich: Der Nasdaq-100 hat seit einem Jahr um 20 Prozent und seit Jahresbeginn um acht Prozent zugelegt. Auf Eurobasis waren es sogar 46 Prozent (auf Einjahressicht) bzw. 20 Prozent (seit Anfang Jänner). Ob man im Einzelfall erfolgreich war, hing stark davon, welche Aktien man hatte. Die Papiere des Online-Videodiensts Netflix haben sich seit Jahresbeginn verdoppelt, die Aktie von Amazon kletterte um 70 Prozent. Hingegen musste das Papier des Halbleiterherstellers Micron 40Prozent abgeben.

Auch Fondsmanager zeigen sich von Chipproduzenten derzeit relativ wenig begeistert. Ein wichtiger Kunde dieser Unternehmen sind die Handyhersteller. „Der Smartphoneboom schwächt sich aber ab“, stellt Erste-Sparinvest-Fondsmanager Bernhard Ruttenstorfer fest. Die Ursachen sind zum einem konjunkturell (die Nachfrage aus China kühlt sich ab), zum anderen aber gebe es tatsächlich eine Sättigung. Ob die Kunden bereit sind, sich neue Smartphones zuzulegen, liege an der Innovationsfähigkeit der Unternehmen.

Dass das Sentiment im Chipbereich nicht so gut ist, liege aber nicht nur in der abflauenden Nachfrage von Smartphone- und Autoherstellern. Auch im PC-Bereich sah es zuletzt nicht so gut aus. „Die globale PC-Schwäche geht in das vierte Jahr“, stellt Salcher fest. Tablets verkaufen sich derzeit ebenfalls nicht allzu gut.

Streaming ist gefragt

Gut laufe hingegen das Geschäft im Server- und Cloudbereich. „Es sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die in diesem Bereich erfolgreich sind“, sagt der Raiffeisen-Experte.

Ruttenstorfer sieht auch für jene Unternehmen eine gute Zukunft, die stark im Onlinevideo- und Streamingbereich tätig sind, sowie für jene, denen es gelungen ist, nicht nur im PC-, sondern auch im Smartphonebereich Werbeeinnahmen zu erzielen. Eine neue Blase im Technologiebereich erkennen beide Fondsmanager nicht, auch wenn der Nasdaq Composite (er umfasst mehr als 2000 Unternehmen) einen höheren Stand erklommen hat als vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Zum einen seien die Unternehmen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 30– auf Basis der Gewinne der vergangenen zwölf Monate– längst nicht so teuer wie damals, sagt Ruttenstorfer. Zudem säßen die Unternehmen diesmal auf fetten Cash-Polstern. Viele US-Firmen litten auch unter dem starken Dollar, sagt Salcher. Sollte sich der Euro stabilisieren, wäre das ein Katalysator für weitere Kursgewinne.

Die Branche ist viel breiter aufgestellt als um die Jahrtausendwende, als sie im Wesentlichen auf den PC-Sektor fokussiert war. Inzwischen seien zahlreiche neue Themen wie Smartphones, Cloud-Computing, Gesundheit und autonomes Fahren dazugekommen, zählen die Experten auf.

Nicht nur auf Themen schauen

Clarkson Williams, Aktienanalyst bei Pioneer Investments, warnt indes vor rein „themenbasiertem“ Investieren, also dem Erwerb von Unternehmen, die auf Zukunftsthemen setzen, ohne zeitnahe Gewinne in Aussicht zu haben. Er verweist darauf, dass nicht nur kleine Start-ups, sondern auch große, etablierte Unternehmen zunehmend auf diese neuen Felder setzen. Sie seien zumeist auch deutlich attraktiver bewertet.

Zum Vergleich: Der aus 100 großen Technologiewerten bestehende Nasdaq 100 ist mit einem durchschnittlichen KGV von 23 bewertet und damit deutlich billiger als der Nasdaq Composite mit 30.

Gerade im Technologiebereich gebe es zahlreiche Unternehmen mit starken Umsätzen und hohen Nutzerzahlen, doch nur wenigen gelinge es, damit nachhaltige Gewinne zu erzielen. Innerhalb der Branchen gibt auch Williams Software- und Internetfirmen gegenüber Hardwareunternehmen und Halbleiterherstellern den Vorzug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2015)

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