Hat Keynes die Welt gerettet?

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Buch. Phil Thornton erklärt in seinem Buch „Die großen Ökonomen“, warum Adam Smith nicht nur Egoismus propagiert hat, Keynes umstrittener denn je ist und was Marx zur Finanzkrise gesagt hätte.

Wien. Große Ökonomen erfahren mitunter Ablehnung, weil man sie mit Thesen verknüpft, die sie gar nicht aufgestellt haben. Adam Smith etwa wird gern die These unterstellt, dass Egoismus der Wirtschaft diene. Tatsächlich hieß der „Gründungsvater der Wirtschaftswissenschaften“ Wohltätigkeit gut und bekämpfte Kartelle ebenso wie die Sklaverei. Er war überzeugt, dass Menschen Freude daran haben, andere zu beglücken. Und eben auch, dass eine „unsichtbare Hand“ bewirke, dass Menschen, die ihren eigenen Neigungen folgen, der Allgemeinheit nützen.

Reiches und armes Elternhaus

Phil Thornton stellt in seinem Buch zehn Ökonomen vor (Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx, Alfred Marshall, John Maynard Keynes, Friedrich von Hayek, Milton Friedman, Paul Samuelson, Gary Becker und Daniel Kahneman). Er erzählt ihre Lebensgeschichten, zitiert Beobachtungen eines Keynes-Biografen, wonach es wohl kein Zufall war, dass Keynes, der aus privilegiertem Elternhaus gekommen ist, der Ansicht war, die Regierung könne die Probleme der Welt lösen, während Friedman, ein Kind verarmter jüdischer Emigranten aus dem Habsburgerreich, die Rolle des Staats äußerst pessimistisch beurteilt hat.

Der Autor stellt die Thesen dieser Wirtschaftswissenschaftler vor, fasst sie im Anschluss noch einmal in Punkten zusammen, gibt Lesetipps und räumt vor allem der langfristigen Wirkung der Thesen breiten Raum ein. So erfährt man vom heftigen und emotionalen Streit zwischen Keynes und Hayek, der in Briefwechseln und Veröffentlichungen ausgetragen wurde. Man erfährt, warum Keynes angesichts der Massenarbeitslosigkeit in den Dreißigerjahren mit seinem Appell, der Staat möge für Nachfrage sorgen, zunächst besser angekommen ist. In den Siebzigerjahren legte Hayek, der individuelle Entscheidungen für besser hielt als zentrales Planen, an Ansehen zu. Keynes hat im Zuge der Finanzkrise ein Revival erlebt, und nach wie vor ist umstritten, ob die zeitweise Beachtung der Thesen von Keynes nach der Finanzkrise die Wirtschaft vor einer Katastrophe gerettet – oder ob sie die Genesung durch viele Milliarden sinnloser Staatsausgaben nur aufgehalten hat.

Die Finanzkrise scheint indes fast allen Ökonomen irgendwie recht zu geben. So hätten die Verantwortlichen 2009 einen Blick in Ricardos Bücher geworfen und (anders als 1929) auf protektionistische Maßnahmen verzichtet, meint Thornton. Ricardo hat dargelegt, dass Protektionismus am Ende niemandem nütze. Doch sogar Marx hätte sich nach Meinung des Autors „einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren können, hätte er von der weltweiten Finanzkrise und ihren verheerenden Auswirkungen auf die kapitalistische Wirtschaft gehört“. Allerdings hätte er „später wohl akzeptieren müssen, dass der Kapitalismus zumindest noch einen weiteren Zyklus lang durchhält“.

Kognitive Verzerrungen

Anleger dürften die Thesen Kahnemans interessieren, der Psychologe und nicht Wirtschaftswissenschaftler war, 2002 aber den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt. Er hat kognitive Verzerrungen aufgedeckt, die bei der Abkürzung von Entscheidungsprozessen entstehen, etwa den Rückschaufehler. Dieser veranlasst Menschen, Erfolge, die nur mit Glück möglich wurden, ihren Fähigkeiten zuzuschreiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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