Aktien: Die Tücken der Absicherung

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Die vergangenen Wochen haben wieder einmal gezeigt, dass Aktieninvestments vor schweren Verlusten in kurzer Zeit nicht gefeit sind. Doch Absicherungsstrategien sind oft teuer und nicht immer einfach zu handhaben.

Wien. In der vergangenen Woche brauchten Anleger gute Nerven. Steile Kursabstürze (Schwarzer Montag) und kräftige Erholungsbewegungen lösten einander ab. Angesichts der Niedrigzinsphase und der schrumpfenden Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank Fed im September die Zinsen erhöht, sind die meisten Experten für Aktien mittelfristig zuversichtlich, sicher weiß aber niemand, wie es an den Börsen weitergeht. Soll man jetzt noch aussteigen, wenn man noch immer auf einem prall gefüllten Aktiendepot sitzt? Oder soll man gar einsteigen, weil die Preise niedrig geworden sind?

Monika Jung von der Valartis-Bank rät von Letzterem ab. Mit einem Neu- oder Wiedereinstieg sollte man sich mindestens bis September Zeit lassen. Dann kehren viele Marktteilnehmer aus der Sommerpause zurück, und es wird absehbarer, wohin die Reise geht. Mit einem nachhaltigen Crash rechnet sie aber nicht. Wer also noch einen Teil seines Vermögens in Aktien veranlagt hat und langfristig orientiert ist, sollte abwarten.

Ähnlicher Ansicht ist auch Christian Ratz, Head of Treasury/Financial Markets bei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Die großen Bewegungen sollten vorbei sein. Mit dem Einstieg brauche man es aber auch nicht allzu eilig haben, es könnte noch einmal „in Richtung Süden“ gehen. Die lockere Geldpolitik der Notenbanken und die weiterhin niedrigen Zinsen (auch in den USA dürfte sich der Zinsanstieg aufgrund von Konjunkturängsten, ausgehend von China, verschieben) sollten aber dafür sorgen, dass die Aussichten für Aktien positiv bleiben.

Doch hat es Sinn, sein Portfolio abzusichern, etwa mit Put-Optionsscheinen (bei solchen wettet man gleichzeitig auf fallende Kurse), Vola-Zertifikaten (mit solchen profitiert man von erhöhter Volatilität) oder Stopp-Loss-Orders (dabei wird automatisch verkauft, wenn der Kurs unter eine bestimmte Schwelle fällt)?

Teure Versicherungen

Alle diese Absicherungsinstrumente haben ihre Tücken. Mit Vola-Zertifikaten profitiert man vom Anstieg der impliziten (also der erwarteten) Schwankungen. Diese implizite Volatilität ist normalerweise besonders hoch, wenn die Kurse fallen. Hat man also Aktien und wettet gleichzeitig auf den Anstieg eines Volatilitätsindex wie des VDAX (dieser misst die implizite Volatilität im Frankfurter Leitindex DAX), des VIX (misst die Schwankungen im US-amerikanischen S&P-500) und des VStoxx (misst die Ausschläge im EuroStoxx 50), wird man im Fall eines Börsencrashs für die Kursrückgänge entschädigt, so die Idee.

In der Praxis sei das schwierig, meint RCB-Experte Philipp Arnold. Unter anderem, weil eine Eins-zu-eins-Partizipation an den Volatilitätsindizes kaum möglich ist, da sich die Produkte meist auf den jeweiligen Volatilität-Future beziehen und es dabei zu deutlichen Rollverlusten kommen kann.

Arnold rät eher zu Put-Optionsscheinen. Diese haben eine bestimmte Laufzeit. Fällt der zugrunde liegende Index (etwa der ATX) bis Laufzeitende unter einen bestimmten Basispreis, erhält man die Differenz ausbezahlt. Steigt er darüber, verfällt der Optionsschein.

Diese Strategie verhilft einem bei einem starken Kursverfall an den Börsen zu einer Entschädigung. Steigen die Aktienkurse, hat man das Geld umsonst ausgegeben. Man muss allerdings nicht bis Laufzeitende warten, sondern kann die Optionsscheine bei zwischenzeitlichen Turbulenzen verkaufen Wer mit einem schlimmen Crash rechnet, sollte lieber seine Aktien verkaufen. Doch gebe es Fälle, wo es sinnvoll sei, die Aktien mit Put-Optionsscheinen abzusichern: etwa, wenn man Altbestände habe, also vor 2011 erworbene Aktien, sagt Arnold. Bei solchen sind etwaige Kursgewinne steuerfrei. Streift man die Gewinne jetzt ein und kauft die Aktien später wieder zurück, hat man diesen Vorteil nicht mehr.

Wem Put-Optionsscheine zu teuer sind (Mitte der Vorwoche kostete die Absicherung österreichischer Aktien bis Jänner 2016 sechs Prozent), der setzt mitunter auf automatische Verlustbegrenzungen. Erteilt man eine Stopp-Loss-Order, wird automatisch verkauft, wenn der Kurs unter eine bestimmte Schwelle gefallen ist.

Risiko bei Ausstoppung

„Das kann auch schiefgehen“, warnt Ratz. Stürzt ein Kurs plötzlich ab (wie etwa im Jänner der Euro zum Franken abgewertet hat), kann es passieren, dass zu einem Preis verkauft wird, der massiv unter der gewünschten Schwelle liegt. Bei Put-Optionen sei vorhersehbarer, was im Fall eines Kursverfalls passiere. In der Praxis komme es zudem selten vor, dass jemand, der ausgestoppt worden sei, später billiger nachkaufe, stellt Jung fest.

AUF EINEN BLICK

Die Börsen haben in der Vorwoche wilde Achterbahnfahrten hingelegt. Die auch als Angstindikator bezeichnete implizite Volatilität, also die erwartete Schwankungsbreite, kletterte auf ein Dreijahreshoch. Höher war die Nervosität an den Börsen zuletzt im August 2011, als Ängste vor einem Zerfall der Eurozone hochkamen. Diesmal ist es die Sorge um China, die den Börsen zu schaffen macht. Besonders stark hat es den deutschen DAX erwischt. Ein Grund ist, dass viele deutsche Firmen (etwa die Autohersteller) in China sehr aktiv sind, ein anderer ist, dass der Euro in den vergangenen Wochen tendenziell wieder gestiegen ist. Zuvor hat die deutsche Wirtschaft von der Schwäche der Gemeinschaftswährung profitiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)

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