Ölkonzerne: Nur wer Raffinerien betreibt, verdient gut

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Der Ölpreis ist im Keller, aber: Ölkonzern ist nicht gleich Ölkonzern. Wenn Anleger nicht zuwarten wollen, müssen sie solche Nuancen beachten.

Wien. Die spektakulärste Nachricht eines Ölkonzerns seit Langem war in der Vorwoche interessanterweise eine über das Gas. Das italienische Unternehmen Eni hat vor Ägypten eines der weltweit größten Gasvorkommen entdeckt. Allerdings muss Eni zur Erschließung sieben Mrd. Dollar (6,2 Mrd. Euro) aufbringen, was an der Börse die Anfangsbegeisterung dämpfte. Am Ende blieb nach der Bekanntgabe am Montag dennoch ein Plus von 1,5 Prozent, während die Konzerne, die in der Nähe aus einem israelischen Großfeld fördern, wegen der neuen Konkurrenz abschmierten. Noch mehr Gas auf dem Markt vernichtet nämlich den Preis.

Ein Phänomen, das die Ölkonzerne bei ihrem ureigenen Ölgeschäft übrigens spätestens seit dem Vorjahr kennen. Und an dem sich so schnell auch nichts ändern wird. Schließlich ist die Opec (allen voran Saudiarabien und der Irak) nicht gewillt, durch Drosselung den Preis zu stützen. Vielmehr will sie sich im Wettbewerb mit den immer aggressiver fördernden USA Marktanteile sichern und nimmt dafür Billigstpreise in Kauf. Damit kann sie gleich auch dem Iran, der nächstes Jahr auf den Weltmarkt zurückkommen will, schaden.

Keine Erholung beim Ölpreis

Der Effekt: Schon das fünfte Quartal in Folge übersteigt das Angebot die Nachfrage. Das Überangebot beträgt zwei Mio. Barrel pro Tag. Und diese Situation werde doch noch länger anhalten, erklärt Carsten Fritsch, Analyst der Commerzbank, gegenüber der „Presse“: „Hatten wir bisher 65 Dollar je Barrel der europäischen Sorte Brent für das Jahresende prognostiziert, sind es nun 55 Dollar“. Nach dem neuerlichen Absturz seit Mitte Juni notiert Brent nun bei gut 50 Dollar, was halb so hoch ist wie ein Jahr zuvor.

Vor diesem Hintergrund ist und bleibt der Eni-Gasfund die vorerst beste Nachricht der Branche. Richtige Euphorie ist dennoch nicht ausgebrochen. Die UBS hat die Kaufempfehlung für den Konzern, der derzeit bei 14,7 Euro notiert, mit Kursziel 19 Euro bestätigt. Das Analysehaus Independent Research hat seine Empfehlung von „Verkaufen“ auf „Halten“ hochgestuft, aber das Kursziel bei 15 Euro belassen.

Große Sprünge sind derzeit auf dem Sektor offenbar nicht drin. „Alle Ölkonzerne leiden unter dem Preisverfall“, so Walter Vorhauser von der Investbank Oddo Seydler auf Anfrage: „Da die Firmen die Ölpreisdynamik erst zeitverzögert abbilden, werden ihre Gewinne und Kurse auch in den nächsten zwölf Monaten zurückgehen.“

Auch die Bank HSBC hat ihre Bewertungen für mehrere Branchentitel wegen niedrigerer Ölpreisannahmen gekürzt, schrieb Analyst Gordon Gray in einer Studie vorige Woche: Die Kursrückgänge seien jedoch übertrieben, wobei sich das Chance-Risiko-Profil der Titel deutlich verbessert habe. Das große Argument für die Branche seien zudem die hohen Dividenden. Diese hält der Experte nicht für sonderlich gefährdet.

Beliebt unter Analysten – niemand rät zum Verkauf – bleibt der Konzern Royal Dutch Shell, der seit 1945 seine Dividende nicht gekürzt hat. Die Dividendenrendite liegt derzeit bei sieben Prozent. Wie alle wurde er zuletzt stark abverkauft und notiert auf Höhe des Buchwertes. HSBC hat auf „Buy“ hochgestuft, das Kursziel von 2050 auf 1900 Pence gesenkt (das Papier notiert bei 1630 britischen Pence). Der Ölkonzern BP, der derzeit bei 346 Pence notiert, behält „Buy“, wobei das Kursziel deutlich von 510 auf 410 Pence gekürzt wurde.

Verarbeiten statt Fördern

Angesichts des aktuellen Marktumfeldes bleiben Analysten vorsichtig und raten im Zweifelsfall, eine Trendwende abzuwarten. Shell kommt immerhin zugute, dass es im Raffinerie- und Tankstellengeschäft stark aufgestellt ist. Das billige Öl garantiert stabile Margen in der Verarbeitung. Die Nase vorne hätten derzeit also jene Konzerne, die das Raffineriegeschäft gewichten, erklärt Vorhauser und verweist auf den US-Starinvestor Warren Buffett. Dieser hat seine Anteile am Raffineriekonzern Phillips 66 auf über zehn Prozent erhöht. Buffett schätzt, dass die Aktienrallye bei Raffineriefirmen im Zuge des US-Schieferöl-Booms wegen der niedrigen Ölpreise weitergeht. Der Benzinabsatz ist in den USA so hoch wie seit acht Jahren nicht. Raffineriekonzerne wie Valero Energy Corp. oder Tesoro Corp. haben heuer deutlich zugelegt.

„Nachdem die Ölpreise gefallen sind, ist es für die Leute in der Branche offensichtlich, dass Raffinerie-Aktien die beste Wette sind“, sagt Carl Larry, Chef für Öl und Erdgas bei Frost & Sullivan LP in Houston, gegenüber Bloomberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2015)

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