Harte Landung Chinas ist unwahrscheinlich

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Raiffeisen-Ökonom Peter Brezinschek hält den Crash der chinesischen Börsen für überbewertet. Der politisch indizierte Wirtschaftsumbau hin zu mehr Binnenkonsum sei jedoch voll in Gang und drücke langfristig auf die Konjunktur.

Wien. Der Einfluss des chinesischen Aktienmarkts auf die globale Wirtschaft ist stark überbewertet. Davon ist Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International, überzeugt. Zudem sei die Abwertung absehbar gewesen. Chinas Börsenkurse hätten sich bis August im Niemandsland bewegt. Künstlich aufgeblasen durch die staatliche Medienkampagne und stark fremdkreditfinanziert, hätten sie längst nicht mehr der Wirtschaftsrealität entsprochen.

Sein Fazit: Die Erwartungshaltung der ausländischen Investoren muss sich in Bezug auf China dramatisch ändern. Laut Brezinscheks Prognose wird sich das dortige Wirtschaftswachstum bei fünf Prozent – „möglicherweise darunter“ – einpendeln. Spannender seien aber die tiefer liegenden volkswirtschaftlichen Hintergründe für den konjunkturellen Abschwung Chinas. Brezinschek sieht hier den Auslöser im politisch indizierten Reformprozess. Chinas Führung wolle merklich weg vom investitionsbasierten Wachstum hin zu einem stärkeren Dienstleistungssektor und mehr privatem Konsum als Konjunkturmotor.

Schmerzhafte Reform

Der Plan scheint zu greifen. Im ersten Halbjahr 2015 machte der Anteil des Konsums am BIP-Wachstum bereits 60 Prozent aus – in den Jahren zuvor lag er bei 45 bis 55 Prozent. Das sei bei einer Wirtschaft, die ihre Leistung zu beinahe 80 Prozent aus ihrem Binnenmarkt lukriert, für die Stabilität notwendig. Jedoch schlüge die Investitionsdrosselung in den Bereichen Schwerindustrie und Immobilien stark auf die Konjunktur.

Dazu kamen nach ersten Stabilisierungstendenzen im Juni negative Einmaleffekte in der Industrieproduktion, wie Unwetter und die temporäre Abschaltung der Kraftwerke aus Anlass der Feiern zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Diese sollten sich aber nach Einschätzung des Experten wieder legen. Daneben machen den chinesischen Unternehmen die rasanten Lohnanstiege zu schaffen.

Die hausgemachte Rechnung, dass höhere Löhne stärkeren Binnenkonsum erzeugen, sei mit der sinkenden Produktivität nicht mehr in Einklang zu bringen, sagt Brezinschek. „Auf der Erlösseite kämpft man mit der Deflation, die Löhne aber gehen auch wegen eines straffen Arbeitsmarkts weiter nach oben.“ Seiner Einschätzung nach werden die chinesischen Unternehmen auch im kommenden Quartal rote Zahlen schreiben.

DAX-Unternehmen exponiert

„China wird ein dämpfender Faktor an den globalen Börsen sein“, sagt Brezinschek. Dennoch stuft er die Korrelation zwischen Chinas Aktienperformance und westlichen Indizes als gering ein. Am exponiertesten seien DAX-Unternehmen, da Deutschland zwei Prozent seiner Erträge in China lukriert. Im Vergleich liegen die Export-Import-Effekte für die USA bei einem Prozent. Österreich sei „deutlich darunter“, nur Anschlusseffekte könnten dem Land wehtun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2015)

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