Bankaktien: Nichts für Feiglinge

(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Die strengen regulatorischen Vorgaben und die anhaltend niedrigen Zinsen setzen nicht nur europäische Finanzinstitute unter Druck. Ein Einstieg ist daher - trotz der zum Teil niedrigen Kurse - mit hohem Risiko verbunden.

Wien. Sechs Milliarden Euro – das ist selbst für abgebrühte Banker keine Kleinigkeit – und schon gar nicht für Anleger. Als der neue Boss der Deutschen Bank, John Cryan, vor einer Woche mit dieser Zahl als erwartetem Quartalsverlust an die Öffentlichkeit ging, waren die an schlechte Nachrichten aus dem Bankensektor gewöhnten Investoren zumindest kurzfristig irritiert. Dann stellte sich jedoch die Auffassung ein, dass Cryan mit dem eisernen Besen die größte deutsche Bank dermaßen reinigen werde, dass sie für die Zukunft gut aufgestellt ist. Was der Aktie gut tat.

Genaueres – und vor allem Offizielles – werden wir bald wissen, wenn Cryan Ende Oktober seine neue Strategie vorstellt. Wenige Tage zuvor steht ein anderes europäisches Bankenkaliber im Fokus: Die zweitgrößte Schweizer Bank Credit Suisse, die auch einen neuen Chef hat, präsentiert ebenfalls eine neue Strategie – geplant ist dies am 21. Oktober. CS-Boss Tidjane Thiam sorgte ebenfalls schon für Aufsehen: Er kündigte eine geschätzt bis zu fünf Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung an. So viel Geld braucht er, um die Kosten des Umbaus zu stemmen. Außerdem muss die Bank ihr Eigenkapital aufpolstern, um die verschärften Anforderungen der Regulatoren zu erfüllen.

Diese dürften just zum selben Zeitpunkt bekannt werden: Die Europäische Zentralbank (EZB) will Ende Oktober die neuen Mindestkapitalquoten veröffentlichen. Sie dürften bei neun bis zwölf Prozent liegen. In Europa erfüllen nicht viele Banken diese Vorgabe. Die Eigenkapitalrentabilität (ROE) der Deutschen Bank liege nur bei 2,6 Prozent, gibt Hans Engel, Analyst und Marktstratege der Erste Group Research, zu bedenken. Die Vorgaben bedeuten, dass sich Geldhäuser notfalls von kapitalintensiven Geschäften trennen oder frisches Kapital aufnehmen müssen. Außerdem muss der Einlagensicherungsfonds dotiert werden, was ebenfalls Kosten verursacht.

Für die großen Geldhäuser in Europa sind die strengeren regulatorischen Vorgaben nicht der einzige Faktor, der ihr Geschäft beeinflusst. Nach den schweren Turbulenzen infolge der Finanzkrise sorgte das inzwischen etwas aus dem Fokus geratene Griechenland-Desaster für Nervosität.

Die anhaltend niedrigen Zinsen machen nicht nur europäischen, sondern auch US-Banken Probleme, wie die jüngste Bilanzsaison in den USA zeigte. Dass die US-Notenbank Fed mit der Zinswende zögert, befeuert zwar ein wenig die Börsen, die Banken bleiben aber unter Druck.

Generell schneiden US-Institute besser ab als ihre europäischen Konkurrenten, vom Einbruch auf dem Rohstoffmarkt und der durch massive Kursverluste in China ausgelösten extrem hohen Volatilität sind aber so gut wie alle Banken betroffen. Was bedeutet dieses Szenario für Bankaktien?

Der Bloomberg Europe Banks and Financial Services Index (Bebanks) liegt – nach einem Höhenflug zwischen März und Juli und dem darauf folgenden steilen Absturz – quasi auf dem Niveau vor einem Jahr. Die Papiere von Deutscher Bank, Credit Suisse und UBS, aber auch von Bank of America und der Citigroup pendeln wieder auf dem Wert vom Jahresbeginn. Der Kurs von JPMorgan Chase und Goldman Sachs liegt weit darunter.

Dagegen haben sich die drei heimischen Bankwerte relativ gut entwickelt, wobei Erste Group und Bank Austria mehr zulegen konnten als die im Osten gebeutelte RBI. Die Erste hat im Bebanks auf Jahresbasis die zweitbeste Performance.

Stefan Maxian von der Raiffeisen Centrobank (RCB) hat die Erste-Aktie deshalb von „Halten“ auf „Kaufen“ gestuft, mit einem unveränderten Kursziel von 30 Euro. Er begründet das damit, „dass wir in Osteuropa ein besseres Konjunkturbild sehen“. Auch bei Investoren verliere die Erste den „Osteuropa-Malus“.

Generell bestünden aber bei Bankaktien noch viele Unsicherheiten, weshalb man nicht grosso modo zu einem Einstieg raten könne. Außerdem bleibe das Umfeld volatil. „Bankaktien sind kein Selbstläufer, das ist etwas für Risikofreudige“, sagt Maxian. Eine Meinung, die auch Engel teilt. „Die Branche muss man sehr differenziert betrachten und deshalb sehr genau hinsehen“, sagt der Erste-Group-Experte. Viele Banken müssten erst ihre Hausaufgaben erledigen, bevor ein Investment ratsam sei. Jason Goldberg von Barclays rät, vor allem darauf zu achten, welche Banken ihre Kosten unter Kontrolle haben.

Was Credit Suisse betrifft, hat Kepler-Chevreux-Analyst Dirk Becker eine ganz klare Ansage: „Finger weg, solange keine Klarheit herrscht.“ Interessanterweise ist er bei der Deutschen Bank nicht so restriktiv: Für sie hat er eine „Buy“-Empfehlung abgegeben. [ iStockphoto]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.