Afrika: Der Blick in den Süden lohnt

(c) Bloomberg (George Osodi)
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Der riesige Kontinent ist für viele Experten ein Zukunftsmarkt – trotz aller Probleme und der Abschwächung des Wachstums. Die niedrigen Rohstoffpreise bilden derzeit gute Einstiegschancen.

Wien. Nach einem von wirtschaftlicher Dynamik geprägten Jahrzehnt ist der afrikanische Wachstumsmotor zuletzt etwas ins Stottern geraten. Auch wenn die BIP-Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) für 2015 mit 3,75 Prozent (Region Sub-Sahara, Anm.) so manchen leidgeplagten Europäer vor Neid erblassen lassen wird – bekanntlich wird für die Eurozone heuer ein Plus von 1,5 Prozent erwartet – und auch höher ausfällt als für viele andere aufstrebende Regionen, so liegt sie doch recht deutlich unter den fünf Prozent, die noch 2014 gemessen wurden. Ist der Zauber des viel gepriesenen Hoffnungsmarktes etwa verflogen?

Hohes Aufholpotenzial

„Grundsätzlich bleibt Afrika ein Zukunftsmarkt – was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, hat der Kontinent nach wie vor viel Aufholpotenzial“, sagt András Szálkai, Fondsmanager im Team Aktien CEE & Global Emerging Markets bei der Raiffeisen Kapitalanlagegesellschaft. Dass sich die Lage seit dem Vorjahr verschlechtert hat, sei vor allem auf den merklichen Rückgang der Rohstoffpreise zurückzuführen. „Aber auch der Konsum hat nachgelassen, und damit auch das Wachstum der Mittelschicht, was sich zuvor positiv auf die Aktienmärkte ausgewirkt hat“, so Szálkai. Tatsächlich hat der überwiegende Teil der Börsen des Kontinents zuletzt vor allem in eine Richtung tendiert – nach Süden.

Mit der jüngsten Entwicklung bestätigt sich auch eine Tendenz der letzten Jahre nicht mehr: Und zwar, dass die Frontier Markets (zu denen die afrikanischen Länder großteils gerechnet werden) mit den Emerging Markets (zu denen aufstrebende Länder wie China oder Indien zählen) nur wenig korrelieren. „Die aktuelle Entwicklung ist allerdings nicht normal – man kann angesichts des Preisverfalls vieler Rohstoffe durchaus von einer Krise sprechen, weshalb die Korrelation wieder höher ist“, erklärt Malek Bou-Diab, Manager des BB African Opportunities.

Aber auch der Vergleich mit den entwickelten Ländern hinke. Schließlich sei dort in großem Stil Geld gedruckt worden. Dass in weiterer Folge die Preise für Vermögenswerte steigen würden, sei zu erwarten gewesen. „In Afrika kann man sich diesen Luxus wegen der Auswirkungen auf die Währungen nicht leisten.“

„Die langfristige Investment-Story bleibt robust und stark“, sagt Michael Kohlhase, Manager des Nestor Afrika Fonds, und verweist auf weiterhin relativ hohe Wachstumsraten, aber auch erhebliche Fortschritte in den Bereichen Demokratisierung und Alphabetisierung, die in vielen afrikanischen Ländern in den vergangenen 20 Jahren erzielt wurden. Dass viele Rohstoffe derzeit auf dem Niveau von 1998 notieren, eröffne im Übrigen erhebliches Chancenpotenzial für Neuinvestitionen.

Auch für Bou-Diab gelte es bei afrikanischen Aktien, die potenzielle wirtschaftliche Dynamik auf längere Sicht zu berücksichtigen. „Längere Wirtschaftszyklen sind aber auch stets sehr stark von Reformen beeinflusst“, meint er. Gerade in Afrika könnten nämlich kleine Reformen sehr große Auswirkungen haben, und die Aktienmärkte würden dazu tendieren, diese sehr schnell einzupreisen. Allerdings hat der Reformprozess in den letzten Jahren – angesichts hoher Rohstoffpreise – etwas an Dynamik verloren – nur wenige Länder haben kontinuierlich Maßnahmen umgesetzt. „Derzeit tun sich alle Länder schwer, was meine Hoffnung bestärkt, dass wir am Anfang eines neuen Reformzyklus stehen“, meint auch Bou-Diab. Erste Schritte wären in Ägypten, Marokko, Kenia und Ruanda gesetzt worden. In Nigeria habe sich nach den Präsidentschaftswahlen im März dagegen noch wenig getan.

Wer ein Investment in afrikanische Aktien erwägt, sollte sehr genau zwischen den Ländern differenzieren. Tatsächlich sind die Unterschiede mitunter gravierend. So stehen etwa Ölexporteure wie Kenia oder Angola, die kaum über eine entwickelte lokale Industrie verfügen und stark von der Entwicklung des US-Dollar abhängig sind, Öl importierenden und von Industrie, Tourismus und Konsum getriebenen Ländern wie Marokko, Ägypten oder Kenia gegenüber.

Erneuerbare Energien

„Afrika ist jedenfalls nicht nur wegen des Themas Rohstoffe interessant, sondern auch wegen der wachsenden Mittelschicht und des steigenden Konsums“, so Szálkai. Eine interessante Investmentidee von vielen sei etwa die technologische Entwicklung. Dazu zählt er den boomenden Mobile-Banking-Sektor. Bou-Diab hält wiederum große Stücke auf den Finanzsektor – sprich: Banken und Immobilien. „In vielen Ländern wird eine Investitionswelle kommen, von der die Banken – über Infrastrukturinvestitionen und Kredite – als erste profitieren werden“, sagt er. Interessant wären aber auch erneuerbare Energiequellen. In Marokko und Ägypten werde etwa stark in Wind- und Solarenergie investiert, in Kenia sei wiederum die Geothermie auf den Vormarsch.

Auch wenn Experten an das langfristige Potenzial afrikanischer Aktien glauben, warnen sie dennoch, dass ein Investment nicht unbeträchtliche Risken birgt und kurzfristig hohe Verluste möglich sind. Deshalb machen Fondsinvestments Sinn. Zu den größten Risken zählt Kohlhase politische Unruhen, Krankheiten und Korruption, aber auch die schwächere Corporate Governance. Dazu komme, dass viele afrikanische Börsen nicht liquide seien. Eine Ausnahme stellt nur Südafrika dar, Ägypten und Nigeria folgen bereits mit Respektabstand. Wegen Devisenrestriktionen bleiben viele Märkte ohnedies off limits. [ „Die Presse“/Gregor Käfer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2015)

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