Das Börsenumfeld bleibt für Anleger weiter freundlich

Bulle und Baer
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Anhaltend niedrige Zinsen sorgen dafür, dass es noch längere Zeit keine wirkliche Alternative zur Anlage in Aktien geben wird.

Wien. Die Finanzkrise schwelt seit schon bald sieben Jahren, die Notenbanken versuchen, die Lage mit riesigen Geldschwemmeprogrammen zu stabilisieren, die Konjunktur springt trotzdem nicht so richtig an – und die wichtigsten Börsen sind nahe ihren Höchstständen. Wie passt das zusammen?

Die Antwort ist relativ einfach: Es sind die Zinsen, die das Börsenumfeld derzeit zu einem ziemlich sonnigen Platz machen. Börsengehandelte Anteilscheine sind nämlich so ziemlich das einzige Anlageinstrument, mit dem sich real (also nach Abzug von Steuern und Inflation) noch Geld machen lässt. Und so muss eben jeder, der seinem Geldvermögen nicht beim Dahinschmelzen zuschauen will, ein bisschen Risiko nehmen und auf Aktien setzen.

Das gilt praktisch global: In den USA, in Japan und in der Eurozone sind die Zinsen praktisch bei null. Auch in allen anderen wichtigen Wirtschaftsräumen, von Skandinavien über Großbritannien bis zur Schweiz, wissen Anleger nur mehr aus Erzählungen ihrer Vorfahren, was hohe Zinsen bedeuten. Und daran wird sich auch so bald nichts ändern. Denn die Zinsen werden, darüber sind sich Experten unterdessen einig, noch ziemlich lang sehr niedrig bleiben.

Das liegt nicht nur an der derzeit matten Konjunktur. Das Hauptproblem ist die hohe Staatsverschuldung in so gut wie allen westlichen Ländern. Hohe Staatsverschuldung bedeutet hohe Zinsbelastung. Und zwar selbst bei diesem historisch niedrigen Zinsniveau. Österreich beispielsweise, das im internationalen Vergleich ja eher nur durchschnittlich verschuldet ist, zahlt seinen Gläubigern 7,5 Milliarden Euro im Jahr. Man mag sich gar nicht vorstellen, was es für das Budget bedeuten würde, wenn sich diese Zinsbelastung verdoppelt.

Dieser Umstand und das Faktum, dass die durch Niedrigstzinsen begünstigte finanzielle Repression den relativen Abbau der Staatsschuld begünstigt, werden dafür sorgen, dass die Industriestaaten noch lang an Niedrigstzinsen interessiert sein werden. Mit Sparprodukten und Staatsanleihen wird man also noch länger nichts verdienen, auch das Krisenmetall Gold ist bei der seit Längerem anhaltenden Preisschwäche keine Anlagealternative mehr. Bleiben Aktien.

Wir können also davon ausgehen, dass die Veranlagung an der Börse auch in nächster Zeit eine vergleichsweise attraktive Sache sein wird. Analysten sind jedenfalls der Ansicht, dass die günstige Stimmung noch weit ins nächste Jahr hinein anhalten wird.

An dieser Grundstimmung wird auch die mögliche baldige Zinswende in den USA nicht viel ändern. Denn die wird, wenn sie kurzfristig überhaupt kommt, eher sehr moderat ausfallen. Und sie wird konterkariert durch die Maßnahmen der übrigen Notenbanken.

In den letzten beiden Oktoberwochen haben immerhin sechs große Notenbanken (darunter die EZB) eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik angedeutet.

Aktienanleger dürften also zumindest mittelfristig die Nase vorn haben. Sie sollten allerdings bedenken, dass die Kurse auf einigen Märkten (der österreichische gehört aber nicht dazu) schon relativ weit gelaufen sind und dass aus einigen zur Blase gewordenen Märkten (beispielsweise China) gerade spürbar die Luft austritt.

Man sollte sich also sowohl die Märkte als auch die Einzelwerte, in die man zu investieren gedenkt, sehr genau anschauen (Expertentipps für die Wiener Börse gibt es auf der vierten Seite dieser Beilage).

Grundsätzlich glauben Experten, dass sich im nächsten Jahr die Märkte der Industriestaaten recht gut entwickeln werden, während Schwellenländer tiefer in Probleme schlittern dürften. Und bei den Einzelwerten sollte man wieder stärker zu Blue Chips aus der ersten Reihe zurückkehren. Die neigen nicht so zu Blasenbildung wie hochgepushte kleinere Trendaktien.

Wie auch immer: Im Hinblick auf mögliche Vermögensbildung erscheint es seltsam, dass die Börse (und mit ihr die Akteinveranlagung) in Österreich politisch derzeit nicht nur nicht gefördert, sondern sogar gebremst wird. Da wird es Zeit, dass auch von der Politik Impulse kommen. (ju)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)

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