Russland: In den Startlöchern auf unbestimmte Zeit

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Aus eigener Kraft schafft Moskaus Aktienmarkt keine signifikante Erholung. Wenn sich das Land aber mit dem Westen aussöhnt oder der Ölpreis steigt, ist ein Sprung der sehr günstigen Aktien fix. Vorerst liegt der Fokus auf Dividenden.

Wien. Es ist fast ein Widerspruch. Gebetsmühlenartig wiederholten russische Offizielle und auch westliche Experten heuer immer wieder, dass die westlichen Sanktionen Russland weitaus weniger treffen als etwa der Ölpreis bzw. die Schwächen des eigenen Wirtschaftsmodells. Und nun, da der G20-Gipfel konstruktiv verlaufen ist und sich im Anschluss an die Terroranschläge von Paris ein gewisses Tauwetter zwischen Moskau und Europa abzeichnet, tun manche Anleger so, als stehe Russland vor dem Höhenflug.

Investoren griffen jedenfalls in der Vorwoche zu Titeln mit starkem Russland-Geschäft wie etwa der Handelskette Metro, was Analysten der Hoffnung auf Aussöhnung zuschrieben. Auch manche Investmentbank und Fonds deuteten an, ihre Russland-Strategie neu zu prüfen, weil sich die „politischen Risken, die in russischen Aktiva eingepreist waren, verringern“, wie Jelena Lovén, Portfoliomanagerin bei Swedbank Robur, meint. Auch der Rubel bekam Auftrieb. Und der russische Leitindex RTS legte bei deutlich höherem Handelsvolumen binnen einer Woche um knapp acht Prozent – doppelt so stark wie der DAX – zu.

Noch kein neuer Trend

Der Beginn eines Trends muss das freilich nicht sein. So warnt die Rosbank vor überzogenen Erwartungen. „Eine komplette Aufhebung der Sanktionen ist schwer vorstellbar“, schreibt sie.

Ein Ansteigen des Ölpreises, Russlands wichtigster Lebensquelle, noch weniger. Und dass der Kreml die überfälligen Reformen nun angeht, auch nicht. Im Moment deutet alles eher darauf hin, dass Kremlchef Wladimir Putin die wirtschaftliche Wanderung durch das Tal bis zu seiner Wiederwahl 2018 aussitzt. Dies trotz der EBRD-Prognose, Russlands BIP werde ohne Reformen langfristig nur noch mit ein bis zwei Prozent wachsen.

Umso mehr besteht Gewissheit, dass der klamme Staat nach neuen Einnahmen Ausschau hält, um das militärlastige Budget zu stemmen. Schon ist fix, dass die Regierung die Öl- und Gaskonzerne ab 2016 stärker zur Kasse bittet. Immerhin hat sich beim Konsum die Lage verbessert. Aber bei den Investitionen herrscht Flaute. Das BIP wird daher heuer um etwa vier Prozent schrumpfen, um dann 2016 unter Umständen leicht zu steigen.

Gut zwölf Prozent hat der RTS heuer auf nun 889 Punkte zugelegt. Am riesigen Abstand zum Allzeithoch von 2487 Punkten im Jahr 2008 ändert das jedoch wenig. Und auch bei den Prognosen ist man in Moskau bescheiden geworden. „Zur Mitte 2016 erwarten wir den RTS bei 930 Punkten“, sagt Vjatscheslav Smoljaninov, Chefanalyst der BCS Financial Group, zur „Presse“. Man ist überzeugt, dass aus eigener Kraft kaum Kursimpulse kommen. „Längst steht daher die Dividendenpolitik der Exportunternehmen im Fokus der Anleger“, so Smoljaninov. Er rät zu Papieren des Düngemittelherstellers Phosagro mit einer Dividendenrendite von über acht Prozent. Unter den für Russland so zentralen Ölfirmen setzt er auf den Branchendritten Gazpromneft und den etwas kleineren Konkurrenten Bashneft. Beide zahlen an die sieben Prozent Dividende.

Tatsächlich müssen nicht immer die Branchengrößten die attraktivsten sein. Schon in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass etwa der zweitgrößte Gaskonzern Novatek und der – nun größte – Retailkonzern Magnit die Börsenlieblinge waren. Aber auch manch Großer kann mithalten. So laut Smoljaninov der weltweit größte Nickelproduzent Norilsk Nickel, der die Anleger kürzlich mit einer Zwischendividende verwöhnte.

Der Gasriese Gazprom hingegen ist in einem langfristigen Abwärtstrend gefangen. Mehr als bei anderen gilt hier: Verbessert sich das Verhältnis mit der EU – auch durch den Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream –, so könnte die unterbewertete Aktie ausbrechen. Die letzten Analystenbewertungen fielen aber verhalten aus. Gazprom profitiert wie alle Exporteure vom Währungsverfall.

Jenseits der Rohstoffe

Jenseits des Rohstoffsektors bleibt die börsenotierte Moskauer Börse Moex ein Dauertipp der Analysten, obwohl sie seit Jahresbeginn bereits um fast 50 Prozent zugelegt hat. Citi hat soeben das Kursziel von 92, wo sie jetzt ungefähr notiert, auf 107 erhöht und empfiehlt „Kaufen“.

Unter den Banken empfiehlt Smoljaninov den staatlichen Platzhirschen Sberbank, der aber seit Jahresbeginn um 80 Prozent gestiegen ist, seit Anfang Oktober um 35 Prozent. Der Oktober war für die Banken in Russland eigentlich ein noch schlechterer Monat als die vorangegangenen. Von den 64 Mrd. Rubel (913 Mio. Euro) Gewinn auf dem Sektor ist aber mehr als die Hälfte auf die Sberbank entfallen. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)

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