Neues Börsenjahr startet mit Panik

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Handelt es sich um normale Schwankungen oder eine neue Finanzkrise? Das ist auch bei Experten umstritten.

Wien. Nicht nur Crash-Propheten sahen sich in der vergangenen Woche bestätigt, auch Starinvestor George Soros fühlte sich an die Finanzkrise erinnert. Was war passiert? Die chinesische Börse musste zwei Mal vorzeitig schließen, nachdem es zu starken Kurseinbrüchen gekommen war. Das führte weltweit zu Besorgnis und Kursrückgängen. Nun hat China den heuer erst eingeführten automatischen Handelsstopp wieder ausgesetzt, da Kritiker gemeint haben, dieser habe die Panik erst verstärkt. Das sollte eine Bodenbildung bei chinesischen Aktien erleichtern helfen, glaubt Christian Straub, Leiter des Geschäfts in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Black Rock.

Die vergangene Woche hat dennoch gezeigt, was das neue Börsenjahr bringen wird: Turbulenzen. Der Volatilitätsindex der New Yorker Börse (VIX), der im Dezember auf 15 Punkte gefallen ist, ist dieser Tage auf 25 Punkte hochgeschossen. Das zeige, dass Angst den Markt ergriffen hat, sagte Canaccord-Stratege Tony Dwyer zu Bloomberg. Im vergangenen August lag der Volatilitätsindex allerdings bei 40Punkten, und damals war es ebenfalls die Sorge um China, die ihn auf dieses Niveau hatte hochschießen lassen. Black-Rock-Experte Russ Koesterich sieht in den jüngsten Verwerfungen eher Ähnlichkeiten mit der Angststimmung im vergangenen August als mit einem echten Bärenmarkt. Auch Dwyer glaubt, dass ein Großteil des Pessimismus eingepreist ist – zumindest in den USA.

Doch während sich der US-amerikanische S&P-500 vom Augustschock binnen weniger Wochen fast vollständig erholt hat, ist das dem deutschen DAX nicht gelungen. Der Frankfurter Leitindex, der im April des Vorjahres schon über 12.300Punkte geklettert war, kam danach nicht mehr annähernd in die Nähe dieses Werts und fiel zuletzt unter die 10.000-Punkte-Marke. In den vergangenen Tagen gerieten vor allem die Autowerte BMW, Volkswagen und Daimler, die um ihr China-Geschäft zittern, unter Druck. Zulegen konnte lediglich die Lufthansa-Aktie, die sich nach den Streiks im Vorjahr erholt.

Dass die Wirtschaftsflaute in China nicht das einzige Bedrohungsszenario des heurigen Jahres ist, zeigt ein Blick auf den heimischen ATX, dessen Unternehmen vergleichsweise wenig von China abhängig sind. Hierzulande leiden die Unternehmen unter dem Ölpreisverfall (der Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann ist der schlechteste ATX-Wert des heurigen Jahres mit einem Minus von zwölf Prozent) und der noch nicht ausgestandenen Russland-Krise: Raiffeisen und Immofinanz, zwei Unternehmen mit überdurchschnittlich großem Russland-Bezug, finden sich ebenfalls unter den stärksten Verlierern. Die Analysten von Erste Bank und Raiffeisen, Fritz Mostböck und Peter Brezinschek, wollen an ihren ATX-Prognosen von 2550Punkten zu Jahresende dennoch festhalten, wie sie gegenüber der „Presse“ bestätigen. Sie hätten nämlich beide Risken schon berücksichtigt. Am Freitag schloss der ATX bei 2221 Punkten.

Doch waren es nicht nur die Sorgenkinder des Vorjahres, die es in der vergangenen Woche schon wieder schlimm erwischt hat: Unter den schlechtesten Werten im Dow Jones fand sich auch der Technologieriese Apple, der in den vergangenen Jahren regelrechte Höhenflüge hingelegt hatte. Ihm machten Gerüchte, dass sich das neue iPhone schlecht verkaufe, zu schaffen.

Richtiges Timing ist schwierig

Was soll man jetzt tun? Die Experten der Schoellerbank raten trotz der jüngsten Verwerfungen zu einer „gesunden Dosis an Aktieninvestitionen“, da das richtige Timing schwierig sei. Gesund sei, was man an Schwankung aushalte, schreibt Schoellerbank-Experte Robert Karas in seinem jüngsten Kapitalmarktausblick. Langfristig sollte der Euro unter Druck bleiben, was europäischen Aktien nützt. Kurzfristig sei der „Raus-aus-dem-Euro-Zug“ jedoch schon ziemlich überfüllt, man müsse mit Gegenbewegungen rechnen. Bei Rohstoffaktien, die sehr billig geworden sind, raten die Experten zur Vorsicht: Sie halten an ihrer kleinen Position fest, empfehlen aber keine Erhöhung. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2016)

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