Rohstoffe: Langes Warten auf die Trendwende

(c) Clemens Fabry
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Ob Erdöl, Kupfer oder Gold: Zahlreiche Rohstoffpreise befinden sich auf einem mehrjährigen Tief. Das sollte die Wirtschaft eigentlich beleben, sorgte zuletzt aber vor allem für Panik und weitere Ausverkäufe.

Wien. Die Geldschwemme der Notenbanken hat viele Vermögenswerte in den vergangenen Jahren verteuert: allen voran Anleihen, aber auch Aktien und Immobilien. Bei einer Assetklasse befinden sich die Preise jedoch im freien Fall – auch wenn es in den vergangenen Tagen zu einer leichten Erholung gekommen ist: bei den Rohstoffen. Der Bloomberg Commodity Index (er umfasst 20 Rohstoff-Futures) hat den Jänner mit einem Minus beendet.

Verglichen mit dem Rekordstand, den der Index Mitte des Jahres 2008 eingestellt hatte, haben sich Erdöl, Kupfer, Aluminium, Gold, Silber, Sojabohnen, Mais und Co. um 68 Prozent verbilligt. US-Erdgas war mit einem Rückgang von 85 Prozent jener Rohstoff, der in den vergangenen fünf Jahren am stärksten korrigiert hat.

2015 ist vor allem der Erdölpreis in die Tiefe gerasselt. Kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent vor einem Jahr noch 50 Dollar, ist der Preis im Jänner zeitweise unter die 30-Dollar-Marke gerutscht. Nun sind niedrige Rohstoffpreise für importierende Länder nicht von Nachteil. Zahlreiche Unternehmen in Europa, Japan und den USA (sieht man von der Schiefergas-Industrie ab) sowie auch Konsumenten profitieren insbesondere vom niedrigen Ölpreis. Zuletzt dominierte an den Märkten aber die Sorge um die Weltwirtschaft, sodass Aktien aller Branchen nach unten gezogen wurden.

Mehr Angebot als Nachfrage

Hintergrund ist das weltweite Überangebot: Bei den relativ hohen Preisen in den vergangenen Jahren hatten sich zahlreiche Konzerne dazu entschlossen, neue Minen zu eröffnen, sagt Daniel Briesemann, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. „Von der Investmententscheidung bis zur kommerziellen Produktion dauert es in der Regel fünf bis sieben Jahre.“ Wenn die Preise in dieser Zeit sinken, betreiben die Unternehmen ihre Produktionsstätten bei geringeren Preisen, was das Angebot auf dem Markt nur weiter erhöht und auf die Preise drückt. Manche Rohstoffpreise notieren unter den Produktionskosten einiger Standorte.

Zwar wuchsen Weltwirtschaft und Rohstoffnachfrage in den vergangenen Jahren, aber längst nicht so stark wie erwartet. Nun müssen die Anbieter versuchen, ihre Produkte über einen niedrigen Preis loszuwerden und/oder Projekte aufzulassen. Bis diese Bereinigung vorüber ist, wird die Preisschwäche anhalten. So haben die Ölunternehmen im Vorjahr Investitionen im Volumen von 380 Mrd. Dollar aufgeschoben. Doch es wird dauern, bis das seinen Niederschlag auf dem Ölmarkt findet. „Dieses Öl wäre im Jahr 2021 auf den Markt gekommen“, erklärt Friedrich Strasser von der Bank Gutmann.

Chinesische Unternehmen aus dem Industriemetall-Sektor haben sich laut Briesemann zu einer konzertierten Aktion durchgerungen. So haben sich einige Nickelproduzenten dazu entschlossen, ihre Produktion im laufenden Jahr um 20 Prozent zu reduzieren. Das entspricht sechs Prozent der weltweiten Herstellungsmenge. Auch die Kupferschmelzer Chinas fahren ihre Maschinen um 4,4 zurück (1,5 Prozent der globalen Produktion).

Allerdings müssen die Firmen ihre Ankündigung auch umsetzen. Nur so könnten die Preise wieder anziehen, sagt Briesemann. Bei einer stabilen Nachfrage und einem reduzierten Angebot sollten die Metallmärkte in diesem Jahr in ein Angebotsdefizit eintreten.

Bei Kupfer, Platin, Palladium und Silber ist die Nachfrage bereits höher als das Angebot, sagt Nitesh Shah, Rohstoffexperte von ETF Securities. Die Preise der Metalle fallen dennoch. Shah führt das vor allem auf das Marktsentiment zurück, das er als einen der größten Treiber der Rohstoffpreise sieht. Auch die Nachfrage Chinas spielt an den Märkten eine große Rolle. Immerhin stellt das Land 40 Prozent der weltweiten Rohstoffnachfrage, wie Shah sagt. Selbst wenn sich das Land von einer produzierenden hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt, wird die Nachfrage nach Gütern steigen, auch wenn sie nicht in China erzeugt werden. Und dafür werden auch Rohstoffe benötigt, sagt Shah.

Die Preisrückgänge bei Rohstoffen seien indes auch auf die Stärke des Dollar zurückzuführen, sagt Shah. Denn Rohstoffe werden traditionell in der US-Währung gehandelt.

Speziell auf den Ölpreis drücken derzeit noch weitere Faktoren: Der Iran tritt nach dem Ende der Sanktionen als zusätzlicher Anbieter von Erdöl auf, die Opec kann sich nicht zu einer Drosselung der Produktion durchringen (ein jüngster Vorstoß Russlands ist bei der Opec auf taube Ohren gestoßen), Saudiarabien versucht, die US-Schieferöl-Industrie – die einen weitaus höheren Ölpreis benötigt, um rentabel zu sein – in die Knie zu zwingen. Zudem sind die USA zum größten Ölproduzenten der Welt avanciert und könnten sich theoretisch selbst versorgen.

Doch erklärt das Überangebot nur teilweise den sehr steilen Preiseinbruch zu Jahresbeginn. Der Ausverkauf könnte auch damit zusammenhängen, dass große Staatsfonds ölexportierender Länder (siehe auch Seite 8), die mit einem höheren Ölpreis kalkuliert und zum Jahresende Anpassungen vorgenommen hatten, jetzt hohe Verkäufe tätigten, um ihre Zahlungen an den Staat halbwegs stabil halten zu können, meint Strasser.

Agrarrohstoffe sinken

Nicht nur Metalle und Öl haben sich verbilligt, auch viele Agrarrohstoffe sind weit von ihren einstigen Höchstständen entfernt. Das hängt sowohl mit guten Ernten als auch Flächenausweitungen, dem Einsatz von Düngemittel und stark steigenden Lagerbeständen zusammen, sagt Carsten Fritsch von der Commerzbank. Der gesamte weltweite Getreidebestand soll am Ende des Erntejahres 2015/16 beispielsweise ein 29-Jahreshoch erreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)

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