US-Anlagestratege: „Blase in China vollständig geplatzt“

HANGZHOU CHINA JANUARY 26 CHINA OUT An investor watches the electronic board at a stock exchan
HANGZHOU CHINA JANUARY 26 CHINA OUT An investor watches the electronic board at a stock exchanimago/China Foto Press
  • Drucken

Asiens Märkte seien inzwischen günstig bewertet, Rohstoffaktien könnten zumindest kurzfristig vor einer Gegenrallye stehen, meint Timothy Hayes von Ned Davis Research.

Der fallende Ölpreis hat stark auf der Anlegerstimmung gelastet. Zum Teil wurde dies nämlich als Indiz für eine Konjunkturverlangsamung gewertet bzw. weckte das Ängste vor einer möglichen Deflation. Wenn sich der Ölpreis erst einmal bei rund 30 Dollar stabilisiert und nicht mehr im Fokus steht, könnten die Märkte wieder steigen. Denn die Notenbanken fluten mit ihrer lockeren Geldpolitik ja weiterhin die Märkte, der Aufschwung ist also sehr von Liquidität getrieben.

Wird es auch ein echtes Wachstum geben?

Die Fed etwa rechnet heuer mit einem US-Wachstum von 2,4 Prozent. Weltweit könnte das Wachstum zwischen drei bis 3,5 Prozent liegen. Bei den Unternehmen stehen zudem die Chancen auf positive Meldungen recht gut. Mehr als 80 Prozent der Gesellschaften im S&P 500 haben im vierten Quartal bereits positiv überrascht, wobei bislang aber nur rund 20 Prozent der Konzerne ihre Ergebnisse veröffentlicht haben.

Das heißt, Sie greifen bei Aktien wieder zu?

Wir haben Aktien bereits im vergangenen Oktober übergewichtet. Dabei gefallen uns vor allem Basis- sowie Nichtbasiskonsumtitel (erste wären etwa Lebensmittelhersteller, letztere Autohersteller, Anm.). Kurzfristig könnten sich auch die Rohstoffaktien kräftig erholen. Der Bereich wurde schließlich extrem abverkauft. Doch sind wir der Meinung, dass sich Rohstoffaktien in einem säkularen Bärenmarkt befinden, der schon im Jahr 2012 begonnen hat.

Welche Bereiche haben Sie derzeit noch im Fokus?

Den Finanzsektor sollte man auch im Auge behalten, der Bereich ist sehr günstig. Ursprünglich dachten viele Anleger, dass steigende Zinsen zu wachsenden Zinsspannen der Banken führen würden. Wegen der fallenden Ölpreise und sinkenden Renditen ist aber das Gegenteil der Fall. Fangen die Kurse der globalen Bankaktien an zu steigen, wäre es auch ein Indiz, dass die Wirtschaft ebenfalls anzieht. Der allgemeine Marktanstieg, den wir bislang erlebten, war ohnedies nicht sehr breit aufgestellt.

Inwiefern?

Allein im breit gefassten MSCI All Country World Index machen inzwischen die größten 40 Aktien 25 Prozent des Index aus, da deren Kurse derart kräftig gestiegen sind. Das ist die höchste Konzentration seit 2012. Die Märkte müssten wieder breiter aufgestellt sein, damit der Aufschwung von einer größeren Basis getragen wird.

Allerdings hält auch die Aktienmarktrallye schon relativ lang an.

Tatsächlich hat allein der S&P 500 seit 2009 um durchschnittlich 15 Prozent pro Jahr zugelegt, wobei 2015 aber sehr schwach verlaufen ist. In der Vergangenheit legten die Märkte nach so einem Jahr im Folgejahr dann im Schnitt meist um mehr als 20 Prozent zu. Solange die Zinsen nicht allzu kräftig steigen, sehe ich keine Gefahr für den Bullenmarkt, auch wenn Zwischenkorrekturen möglich sind.

Die Schwellenländer scheinen negativ aus der Reihe zu tanzen.

Hier gab es eine ganze Reihe an Enttäuschungen, die Märkte leiden besonders unter der Angst vor einer globalen Deflation. Auch muss man festhalten, dass allein im MSCI Emerging Markets mehr als zwei Drittel auf Asien entfallen. Aktuell ist der pazifische Raum sehr günstig und wird zudem stark von Finanzwerten dominiert.

Aber die Aktien aus den rohstofflastigen Ländern Brasilien und Russland haben doch weit stärker korrigiert?

Tiefe Aktienkurse bedeuten aber nicht, dass die Märkte deshalb günstig sind. Auch die Gewinne sinken in diesen Regionen. Die Wachstumsaussichten sind in den asiatischen Ländern besser, allein die Angst rund um China hat zu Übertreibungen nach unten geführt. Dabei wollte die Regierung vorigen Sommer lediglich die enorme Blasenbildung eindämmen, was ihr auch gelungen ist. Die Blase ist inzwischen vollständig geplatzt. Wobei, wir haben sowohl den pazifischen Raum – ohne Japan – aber auch Japan sowie die USA übergewichtet. England haben wir derzeit untergewichtet, denn elf Prozent des Marktes entfallen auf Energietitel. Kontinentaleuropa wird derzeit neutral gewichtet.

Falls die globalen Märkte das aktuelle Niveau nicht halten, wie tief könnten sie sinken?

Bei intaktem US-Wachstum haben die Märkte in der Vergangenheit bei einer Korrektur durchschnittlich 17 Prozent verloren (derzeit liegt der MSCI World um 15 Prozent unter seinem Allzeithoch, Anm.). Sollten hingegen auch die USA in eine Rezession rutschen, haben die Kursverluste im historischen Schnitt gut 45 Prozent betragen.

Zur Person

Timothy Hayes ist seit 1986 beim US-Research-Haus Ned Davis Research Group (NDR) dabei, wo er als Chief Global Investment Strategist tätig ist. Seinen Bachelor of Arts hat er am Kenyon College absolviert. Vergangenen Donnerstag war Hayes auf Einladung der Kathrein Privatbank zu einer Präsentation in Wien, wo auch „Die Presse“ mit ihm sprach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.