Lohnt sich die Kurspflege?

Boerse in Frankfurt/Main
Boerse in Frankfurt/MainAPA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Aktienrückkäufe. Viele Konzerne setzen auf den Rückkauf eigener Aktien. Für Investoren muss sich das nicht immer auszahlen.

Wien. Der deutsche Siemens-Konzern tut es. Und die heimische Immofinanz auch. Die Unternehmen haben in der Vorwoche sogenannte Aktienrückkaufprogramme ins Leben gerufen oder damit begonnen. Bei Siemens geht es um ein Volumen von drei Mrd. Euro, die der Konzern bis Mitte November 2018 in die Hand nehmen will. Die Immofinanz plant, ab 8. Februar bis zu zehn Millionen Stück eigener Aktien zu erwerben. Die Immobiliengesellschaft war bereits im vergangenen Jahr der größte Käufer eigener Anteile über die Börse.

Rückkaufprogramme sind bei vielen Unternehmen äußerst beliebt. Traditionell haben die Vereinigten Staaten in diesem Segment die Nase vorn. Im Vorjahr wurden dort Aktien mit einem Wert von 566 Mrd. Dollar eingezogen. In Europa war das Volumen mit 80 Mrd. Euro deutlich geringer – aber höher als noch ein Jahr zuvor, wie Jakob Frauenschuh von der Schoellerbank erklärt.

Bei Rückkaufprogrammen erwerben Unternehmen ihre eigenen Wertpapiere und reduzieren somit die Anzahl der umlaufenden Stück. Für die verbleibenden Aktionäre besteht der Vorteil darin, dass sich ihr Anteil am Gewinn auf diese Weise erhöht.

Sinn haben solche Programme vor allem dann, wenn die Bewertung eines Unternehmens gering ist und über die Börse günstig zugekauft werden kann. Die heimische Immofinanz notiert laut Daniel Lion von der Erste Bank beispielsweise mit einem Abschlag von 60 Prozent zu ihrem inneren Wert. Für das Unternehmen zahlt es sich also offenbar aus, eigene Aktien zurückzukaufen, anstatt in externe Projekte zu investieren.

Doch viele Unternehmen gestalten ihre Rückkaufprogramme nicht nach Bewertungs-, sondern nach Liquiditätskriterien, wie Frauenschuh sagt. Vor allem, wenn sie auf hohen Barreserven sitzen. „Das führt unweigerlich dazu, dass Aktienrückkaufe prozyklisch bei ansteigenden Kursen zunehmen.“ Fallen die Kurse später, kann das also enorme Geldverschwendung gewesen sein. In vielen Fällen geht es jedoch auch nur darum, den Aktienkurs nach oben zu treiben, um feindliche Übernahmen zu erschweren.

In den USA zählt Apple zu den Rückkaufkaisern schlechthin. Die Kalifornier haben im vergangenen Jahr so hohe Volumina an eigenen Papieren zurückgekauft wie die 15größten europäischen Unternehmen zusammen. Der Kosmetikkonzern L'Oréal, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé und die Pharmafirma Novartis zählten mit in Summe rund 13,3Mrd. Euro zu den Spitzenreitern des alten Kontinents.

Warnsignale beachten

Apple kann sich seine knapp 34Mrd. Dollar schwere Investition problemlos leisten, wie Frauenschuh sagt. Das Unternehmen sitzt auf 150 Mrd. Dollar an Cashreserven. In der Vergangenheit hat es sogar Schulden aufgenommen, um ein Rückkaufprogramm zu finanzieren. Das war für das Unternehmen günstiger, als seine Gewinne in die USA zurückzuführen und dort zu versteuern. Dem Kurs hat das Rückkaufprogramm im Vorjahr allerdings wenig gebracht. Dieser gab in den vergangenen zwölf Monaten um rund 21Prozent nach. Möglicherweise wäre der Kursrückgang ohne Rückkauf aber noch stärker gewesen. Eine Garantie für steigende Kurse sind solche Maßnahmen also nicht.

Doch können Aktienrückkäufe und (im Idealfall anziehende Preise auf den Aktienmärkten) auch dazu führen, dass die Probleme eines Unternehmens überdeckt werden. „Wenn die Gewinne des Grundgeschäfts nicht steigen, ist das ein Warnsignal“, sagt Frauenschuh.

Als Beispiel kann man IBM heranziehen. In den Jahren 2012 bis 2014 wurden jährlich Aktien im Umfang von 13 Mrd. Dollar zurückgekauft. Der Nettogewinn des Konzerns sank seit 2012 aber um gut ein Fünftel, der Gewinn je Aktie nur um sieben Prozent. „Die Frage ist, was für den Aktionär besser gewesen wäre“, sagt Frauenschuh. Die Firma hätte das Geld freilich in Übernahmen investieren können. Möglicherweise haben sich die Rückkäufe aber als die beste „von allen schlechten Alternativen“ erwiesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2016)

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