Öl, Brexit, Altlasten: Die Probleme holen uns ein

Raffinerie Schwechat
Raffinerie SchwechatClemens Fabry
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Die Nervosität auf den Märkten ist derzeit extrem hoch. Schuld ist die Angst vor Ereignissen, die noch gar nicht eingetreten sind, aber eintreten könnten.

Wien. „Eine Rezession in den USA ist nicht in Sicht“, beeilte sich der Chef der US-Notenbank Fed von San Francisco, John Williams, Ende Jänner zu versichern, nachdem bekannt geworden war, dass die US-Wirtschaft im vierten Quartal 2015 deutlich an Dynamik verloren hatte. Das Bruttoinlandsprodukt war auf das Jahr hochgerechnet nur um 0,7 Prozent gewachsen. Im dritten Quartal hatte der Zuwachs noch zwei Prozent betragen. Vielen machen die Probleme der Ölfirmen Sorgen, denen der Preisverfall des Rohstoffs zusetzt.

Bei Goldman Sachs glaubt man ebenfalls nicht, dass die USA in eine Rezession rutschen werden. Die USA befänden sich eher in einem späten Zyklus, meint Sandra Grabenweger-Straka von Goldman Sachs Asset Management. Dass die Unsicherheit groß ist, zeige aber das Bild bei den Anleihen. So liegen die Aufschläge für US-High-Yield-Anleihen (das Mehr an Zinsen, das Unternehmen mit schlechter Bonität im Vergleich zu Staatsanleihen zahlen müssen) derzeit bei 750 Basispunkten (7,5 Prozentpunkten). „Immer, wenn die 600 Basispunkte überschritten werden, spricht man von einer beginnenden Rezession oder einem schwierigen Marktumfeld“, sagt Grabenweger-Straka.

Angst vor Zinserhöhung

Die Angst, dass die USA in eine Rezession schlittern könnten, ist nur eine von vielen, die die Märkte seit Jahresbeginn im Zaum halten. Sie hat immerhin die Sorge in den Hintergrund gedrängt, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen heuer zu stark oder zu oft anheben könnte, was im schlimmsten Fall Konjunktur und Aktienmärkte hemmen würde.

Im Gegenteil: Der Markt rechnet nur noch mit zwei statt – wie ursprünglich geplant – vier Zinsschritten im laufenden Jahr. Von den jüngsten Daten des US-Arbeitsmarkts kommt auch kein Druck auf die Fed, die geldpolitischen Zügel allzu schnell zu straffen: Die Zahl der neu geschaffenen Jobs ist im Jänner nur um 151.000 gestiegen, wie das Arbeitsministerium in Washington bekannt gab. Ökonomen hatten mit 190.000 gerechnet.

Ölpreis zieht alle runter

Im Dezember hatte die Fed erstmals seit Jahren die Zinsen leicht angehoben und damit indirekt angedeutet, dass die US-Wirtschaft aus dem Krisenmodus herausgefunden hat. Doch die Beschleunigung des rasanten Ölpreisverfalls im Jänner und schwere Kursstürze an der chinesischen Börse nährten Befürchtungen, dass es um die Weltwirtschaft viel schlechter steht als angenommen – und dass das Überangebot an Rohstoffen längst nicht die einzige Erklärung für den starken Preiseinbruch ist.

Aktien fast aller Regionen und Branchen wurden mit nach unten gezogen. Nicht alle zu Unrecht. Die Experten von Fidelity raten in einer Aussendung, Schwellenländer-Aktien „unterzugewichten“. Grund sei Chinas Wirtschaftswachstum, das sich wohl weiter verlangsamen und auf den Gewinnen vieler Unternehmen aus den Schwellenländern lasten werde. US-Aktien steht man neutral gegenüber, da die US-Wirtschaft zwar in gleichmäßigem Tempo wachse, die Unternehmensgewinne wegen des starken Dollar und des niedrigen Ölpreises unter Druck geraten seien.

Dabei sei das Bild bei den Schwellenländern durchaus differenziert, sagt Grabenweger-Straka. Indien als großen Ölimporteur sieht man weiter positiv. Von staatlichen Unternehmen rate man ab, da Staaten oft andere Interessen verfolgten als Investoren. Unter Klein- und Mittelbetrieben gebe es dagegen interessante Kaufgelegenheiten. Vereinzelt finde man solche auch in den ölexportierenden Ländern, da die Bewertungen mittlerweile vielfach günstig geworden sind.

Altlasten bei den Banken

Die laufende Berichtssaison der Unternehmen für das letzte Quartal brachte indes zutage, dass die Finanzkrise auch in den entwickelten Volkswirtschaften noch lange nicht ausgestanden ist: Altlasten – bestehend aus Abschreibungen bzw. hohen Kosten für Rechtsstreitigkeiten – haben etwa der Credit Suisse und der Deutschen Bank milliardenschwere Verluste eingebrockt. Auch fürchten viele Branchenexperten, dass es wieder verstärkt zu Kreditausfällen kommen könnte – allen voran von Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor.

Und als ob eine schwache Konjunktur, das Auftauchen von Altlasten aus der Finanzkrise und eine mögliche Pleitenwelle nicht genug wären, hängen noch zahlreiche politische Krisen wie ein Damoklesschwert über den Märkten: der Krieg in Syrien, mögliche Unruhen im Nahen Osten oder das Referendum über einen möglichen EU-Ausstieg Großbritanniens.

Käme es tatsächlich zu einem solchen Brexit (Ausstieg Großbritanniens aus der EU), fürchten viele nicht nur schlimme Folgen für die Londoner Finanzwelt, sondern viel weiter reichende Unsicherheiten: Ein solcher Schritt könnte im schlimmsten Fall der Beginn des Zerfalls der EU sein – was auch auf den Märkten nicht gerade für Stabilität sorgen würde.

Auch Währungsschwankungen können unangenehm werden. Viele fürchten, dass ein starker Dollar die Schwellenländer zusätzlich unter Druck bringen könnte. Die jüngste Erholung des Euro (seit Jahresbeginn hat er zum Dollar um mehr als drei Prozent zugelegt) gefiel indes den Anlegern im deutschen DAX nicht, das deutsche Börsenbarometer ist mittlerweile tief unter die 10.000-Punkte-Grenze gerutscht.

Doch auch, wenn viele dieser Szenarien gar nicht eintreten werden und alle gleichzeitig gar nicht eintreten können: Allein die Angst, dass sie das jederzeit tun könnten, sorgt für Turbulenzen. Und das wird sie heuer noch öfter tun. [ iStock.com ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2016)

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