Zitterpartie an den Börsen

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Europäische Anleger haben in diesem Jahr bereits viel Geld verloren. Wie lang die Talfahrt noch anhält, lässt sich schwer vorhersagen. Vorsicht ist also geboten.

Wien. Aussitzen, verkaufen, in Panik geraten oder doch lieber Ruhe bewahren? Die turbulente Lage auf den Aktienmärkten hat es Anlegern in diesem Jahr nicht ganz einfach gemacht. Auch in den kommenden Wochen sind starke Nerven gefragt.

Allein der Frankfurter Leitindex DAX zählt heuer mit einem Minus von rund 17 Prozent zu einem der schlechtesten Börsenplätze weltweit. Der Rückgang auf den deutschen Kapitalmärkten ist damit größer als etwa in Großbritannien oder der Schweiz, aber ähnlich hoch wie in Österreich. Eine Entwicklung, mit der die Investoren noch vor wenigen Monaten nicht gerechnet haben. Selbst die US-Bank Goldman Sachs hat bereits fünf ihrer sechs Topinvestmentziele für 2016 über Bord geworfen.

Der schwache Ölpreis, eine mögliche Konjunkturabkühlung, geopolitische Risken und Angst vor Problemen auf dem Bankensektor haben die Turbulenzen an den Börsen ausgelöst. Eine Besserung der Lage ist vorerst kaum in Sicht. Wie gering der Optimismus ist, zeigt ein Blick auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen. „In Europa sind wir bei minus zwei Prozent angelangt“, sagt Hans Engel von der Erste Bank.

„Noch vor fünf bis sechs Wochen lagen die Erwartungen hingegen im Plus. Da können die Aktienmärkte nicht steigen.“ Selbst der niedrige Eurokurs, auf den die Anleger noch im Vorjahr gesetzt haben, hat keine nachhaltigen Verbesserungen gebracht. Die Währungseffekte habe man nur im ersten Quartal 2015 gesehen, so Engel. Unternehmen mit Sitz in den USA sieht der Experte da weit besser aufgestellt. Bei Margen, Umsatzwachstum und Rentabilität würden sie europäische Firmen übertreffen. Während die USA Konzerne wie Apple oder Google beheimaten, sitzen in Europa eher Unternehmen aus Branchen mit geringerer Profitabilität (etwa Rohstoffkonzerne). Der Bankensektor in Amerika bereitet Anlegern zudem weniger Kopfzerbrechen als in Europa. Hohe Verluste und Rückstellungen in Milliardenhöhe haben auf dem Alten Kontinent zuletzt für Panikverkäufe gesorgt.

Für die Branche ist vor allem die Geldpolitik der Notenbanken entscheidend, sagt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. So bewege sich die Europäische Zentralbank derzeit auf einem schmalem Grat „zwischen dem, was die Stabilität des Finanzsektors gewährleistet und dem, was sie gefährdet“. Mit Negativzinsen könne man nämlich kein Geld verdienen, neu geschaffene Regularien würden weiters zusätzliche Kosten verursachen.

Schlechte Aktien verkaufen

Die amerikanischen Börsen hat es seit Jahresbeginn denn auch weniger stark erwischt als die europäischen. Während der EuroStoxx um 16 Prozent nach unten korrigierte, ging es für den Dow Jones lediglich um zehn Prozent bergab. Doch bei kritischer Betrachtung befänden sich die Börsen seit dem Frühjahr 2015 in einer leicht abwärtsgerichteten Seitwärtsbewegung, sagt Brezinschek. Zuvor habe man seit der Finanzkrise – mit Unterbrechungen – stets Anstiege auf den Aktienmärkten gesehen.

Selbst wenn sich die US-Märkte bislang deutlich besser geschlagen haben, ist deswegen noch lang nicht alles eitel Wonne. Nachdem China bereits zu Jahresbeginn für Unruhe an den Börsen gesorgt hat, richten sich die Augen nun langsam auf die größte Volkswirtschaft der Welt. Ende 2015 war das Wachstum der USA schwach, was die Sorge nährt, das Land könne in eine Rezession rutschten. Die Analysten der Commerzbank sehen eine solche nicht, unter anderem, weil die Arbeitslosenquote sinke. Ihr Fazit: Die Märkte übertreiben.

Doch wenn die in nächster Zeit anstehende Konjunkturdaten (auch in Europa) keine Besserung zeigen, könnte die Korrektur wohl noch länger andauern, als man ursprünglich vermutet hat, sagt Brezinschek. Wie groß die Unsicherheit ist, zeigt die Flucht der Investoren in sichere Häfen, wie den Schweizer Franken, Staatsanleihen oder Gold.

Engel rät Anlegern, das Edelmetall als Beimischung ins Depot zu legen. Seine Bargeldbestände zu erhöhen, könne ebenfalls nicht schaden. Aktienbesitzer sollten indes überlegen, ihr Portfolio zu bereinigen. „Man sollte sich überlegen, welche Unternehmen es noch in zehn Jahren geben wird“, sagt Engel. In Aktien von Bestand (etwa Nahrungsmittelkonzerne) sollte man weiterhin investiert bleiben, den Rest könne man getrost abstoßen. [ iStockphoto ]

AUF EINEN BLICK

Die europäischen Börsen haben den Anlegern heuer bereits große Verluste beschert. In den USA sind die Märkte etwas besser gelaufen. Eine richtige Trendwende ist derzeit aber da wie dort nicht in Sicht. Nach den Turbulenzen in China fürchten sich die Anleger nun vor einer möglichen Rezession der weltgrößten Volkswirtschaft. Noch sind die US-Unternehmen aber besser aufgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2016)

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