Erntezeit für Aktionäre

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Dividenden bieten die Möglichkeit, den Ertrag in mageren Zeiten aufzufetten. Doch ist Vorsicht angebracht, da hohe Renditen ein Warnsignal sein können.

Wien. „Das übertrifft meine schlimmsten Albträume“, sagt Lars Martin Klieve. Der Kämmerer der deutschen Stadt Essen zeigt sich entsetzt. Erstmals seit mindestens 57 Jahren wird der Energiekonzern RWE nämlich keine Dividende an seine Stammaktionäre ausschütten – und die Stadt ist einer davon. Essen fällt damit um Einnahmen in der Höhe von 18 Mio. Euro um – schon jetzt ist das Defizit doppelt so hoch.

Die deutsche Energiewende setzt dem Versorger RWE seit Langem zu. 2015 belasteten ihn außerdem gesunkene Großhandelspreise, was nun zu einem Verlust von 200 Mio. Euro führte. RWE-Chef Peter Terium zog deshalb die Reißleine. Es gehe um eine „Ausschüttungspolitik mit Augenmaß“, sagte er anlässlich des Jahresergebnisses.

In den vergangenen Jahren wurde die Ausschüttung je Aktie bei RWE zwar laufend geringer. Doch immerhin zahlte das Unternehmen weiterhin brav Dividenden an seine Aktionäre. Das allein dürfte freilich nur ein schwacher Trost sein. Schließlich fiel der Aktienkurs seit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima um rund 64 Prozent.

Doch nicht alle Unternehmen sind mit derartigen Schwierigkeiten konfrontiert. Viele schütten ihre Gewinne regelmäßig aus, während sich der Wert ihrer Aktien ebenso erhöhte. So kommt es, dass die im Aktienindex MSCI Europa gelisteten Konzerne, es sind 448 an der Zahl, heuer eine Rekorddividende ausschütten werden. Anteilseigner dürfen sich somit über Zuflüsse in der Höhe von 315 Mrd. Euro freuen. Ein Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie aus einer Erhebung von Allianz Global Investors hervorgeht.

Was sagt die Zahlungsmoral aus?

Gerade in Zeiten niedriger Zinsen können Dividenden den Ertrag eines Depots auffetten. Ein Aktieninvestment kann im Vergleich zu einem in Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen also durchaus sinnvoll sein. In Europa liegt die durchschnittliche prognostizierte Dividendenrendite bei 3,5 Prozent. Die Zinsen sind damit deutlich höher als die Rendite bei deutschen Bundesanleihen. Letztere warfen zuletzt eine Rendite von 0,21 Prozent ab. „Anleger, die auf Dividendentitel setzen, können von hohen Dividendenrenditen profitieren“, sagt Allianz-Vorstand Martin Bruckner.

Kursverluste lassen sich durch Dividenden abfedern, Kursschwankungen treten ebenso weniger stark auf. In Europa war die Gesamtrendite der Aktienanlage seit den 1970er-Jahren zu 39 Prozent durch den Performance-Beitrag der Dividenden bestimmt. In den USA lag der Anteil bei einem Drittel, in der Pazifik-Region ebenso. Die Dividendenrendite ergibt sich aus der Division der Dividende durch den Aktienkurs mal 100. Hohe Dividendenrenditen sind aber nicht zwangsläufig ein Hinweis auf positive Entwicklungen innerhalb eines Unternehmens. Ist der Aktienkurs eines Konzerns nämlich gefallen, steigt auch die Dividendenrendite. Da sich der Aktienkurs laufend verändert, ist die Rendite zumal keine fixe Zahl – sie schwankt.

Entscheidend bei der Dividendenrendite ist deren Nachhaltigkeit. Norwegen ist derzeit das Land mit der höchsten Dividendenrendite (5,05 Prozent), gefolgt von Spanien (4,95 Prozent) und Brasilien (4,79 Prozent). Österreich rangiert mit 2,56 Prozent auf Rang 23, die USA belegen Platz 27. Unter 33 Staaten bildet Indien mit einer Dividendenrendite von 1,35 Prozent das Schlusslicht.

In der Regel gelten Aktienkurse von Unternehmen, die sich für eine nachhaltige Dividendenpolitik (also steigende Ausschüttungen über einen langen Zeitraum) entscheiden, als weniger volatil. Ein solches Verhalten ist nicht nur in den USA, sondern auch in Europa zu beobachten.

Konzerne sind meist daran interessiert, die Höhe ihrer Ausschüttungen beizubehalten, auch wenn es ihnen in einem Jahr weniger gut erging – andernfalls würde man die Anteilseigner verschrecken. Jörg de Vries-Hippen, Aktienchef für Europa bei der Allianz, sagt dazu: Wer an seiner Zahlungsmoral auch unter schwierigen Bedingungen festhalten könne, beweise ein belastbares Geschäftsmodell.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2016)

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