Sichere Unternehmen enttäuschen Aktionäre

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Nicht nur Ölwerte sind unter Druck geraten. Auch die Aktionäre "defensiver" Unternehmen wie Novartis, Nestlé oder Bayer mussten in den vergangenen Monaten Verluste verkraften. Das waren sie jahrelang nicht mehr gewöhnt.

Wien. Im Vorjahr war die Investmentwelt noch in Ordnung. US-Investoren, die auf sogenannte defensive Branchen wie Konsumgüter, Gesundheit und Technologie gesetzt hatten, konnten mit ihren Aktien Gewinne erzielen, obwohl der Gesamtmarkt angesichts der Abschwächung in China und der Sorgen um die Weltwirtschaft leicht ins Minus gerutscht ist. Defensiv bedeutet relativ unabhängig von Konjunkturschwankungen. Als defensiv gelten etwa Lebensmittel- oder Arzneimittelhersteller, da Nahrungsmittel und Medikamente auch in Krisenzeiten gekauft werden. Doch haben sich auch die Aktien großer, etablierter Technologiekonzerne wie Google, Amazon oder Apple in den vergangenen Jahren als krisenfest erwiesen, viele Kleinanleger haben sie gekauft.

Bei Produzenten langlebiger Konsumgüter – etwa Autoherstellern – handelt es sich hingegen um Zykliker, das sind Unternehmen, deren Geschäft stark mit der Konjunktur schwankt. Dazu zählen auch Energie- und Rohstofftitel. Mit solchen hätte man im Vorjahr verloren.

Und heuer? Seit Jahresbeginn sind die meisten Branchen ins Minus gerasselt, allen voran Energie- und Finanztitel. Doch an dritter und vierter Stelle im Ranking der schlechtesten US-Branchen liegen bereits Gesundheits- und Technologiewerte.

Private gingen raus

Als die Anleger dies- und jenseits des Atlantiks in den vergangenen Wochen ihre Aktien auf den Markt warfen, unterschieden sie nicht mehr so genau zwischen defensiven und zyklischen Sektoren. Bank-Austria-Analystin Monika Rosen sieht einen Grund darin, dass viele Privatanleger angesichts der hohen Volatilität überhaupt aus dem Aktienmarkt ausgestiegen sind.

Dabei trennten sich die Investoren auch von Papieren, die jahrelange, fast ungebrochene Aufwärtstrends hinter sich hatten. Stark unter Druck gekommen ist seit Jahresbeginn die Aktie des Online-Versandhändlers Amazon, die um ein Fünftel abgerutscht ist. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis im dreistelligen Bereich ist das Papier noch immer nicht billig. Goldman Sachs hat die Aktie dennoch auf seiner Favoriten-Liste „Conviction Buy List“ stehen. Die Internetbranche in den USA habe sich seit Jahresbeginn im Vergleich zum breiteren Markt unterdurchschnittlich entwickelt, begründet Analyst Heath Terry. Nun sei Amazon günstiger geworden.

Doch dürfte es nicht in allen Fällen nur die negative Anlegerstimmung sein, die Technologieaktien unter Druck bringt. Viele Erfolgsunternehmen haben mit hauseigenen Problemen zu kämpfen, auf die man jetzt genauer hinsieht. Apple etwa hat seit seinem Rekordhoch im Juli 27 Prozent verloren. Als Ursache gilt die schwächelnde Nachfage nach dem iPhone und die Tatsache, dass Apple seit Jahren keine bahnbrechende Neuerung auf den Markt gebracht hat.

Doch auch Pharmakonzerne wie Novartis oder Bayer haben sich um je etwa ein Drittel von ihren Allzeithochs aus dem Vorjahr entfernt. Zuvor hatte sich die Branche jahrelang besser entwickelt als der Gesamtmarkt. Novartis machen das schwächelnde Augenheil-Geschäft und der starke Franken, Bayer die schlechten Aussichten für die Agrarsparte zu schaffen. Die Aktionäre, die sich an die jahrelangen steilen Kursanstiege gewöhnt hatten, wurden vielfach auf dem falschen Fuß erwischt.

Nestlé mit Problemen

Dagegen macht sich der Kursverlust von Nestlé – Anleger aus der Eurozone haben seit April des Vorjahres zwölf Prozent verloren – gering aus. Dem weltgrößten Lebensmittelkonzern, der als Paradebeispiel für einen defensiven Titel gilt, machen der starke Franken, die geringere Aussicht auf Preiserhöhungen und Probleme in Indien zu schaffen (die dortige Lebensmittelaufsicht hat im Vorjahr den Verkauf von Instant-Nudeln der Marke Maggi untersagt, da bei Tests in einigen Bundesstaaten erhöhte Bleiwerte entdeckt worden waren).

Soll man jetzt zugreifen angesichts der Tatsache, dass man so viele defensive Titel günstiger bekommt als noch vor einigen Monaten? Die Experten von AXA Investment Managers raten in ihrem Investment-Research-Bericht, Aktien kurzfristig überzugewichten, langfristig aber unterzugewichten. Denn kurzfristig seien die Märkte überverkauft. Immer, wenn die Stimmung der amerikanischen Investoren so schlecht war wie jetzt, folgte eine Erholung um fünf bis zehn Prozent.

Aktien langfristig teuer?

Langfristig betrachtet seien Aktien aber teuer. Sollte die Wirtschaft weiterhin schwächeln, würden potenzielle Aktienkäufer höhere Risikoprämien verlangen – sprich: geringere Preise zahlen.

Und gerade die defensiven Sektoren zählen nicht zu den günstigen. Öl- und Rohstoffwerte seien „langfristig günstig“, räumt Bank-Austria-Expertin Rosen ein. Das Risiko sei aber hoch, nur Mutige sollten einsteigen. Sicherheitsorientierte Anleger sollten nach Ansicht der Analystin dennoch eher zu Gesundheits-, Konsum- und Technologieaktien greifen. [ iStockphoto]

AUF EINEN BLICK

Als defensiv gelten Aktien, wenn sie die Schwankungen der Konjunktur wenig nachvollziehen (etwa Nahrungsmittelhersteller). Das Gegenteil sind zyklische Aktien (etwa Autobauer oder Rohstofffirmen). Defensive Werte werden vorsichtigen Anlegern oft als sichere Beimischung für das Depot empfohlen. Das funktionierte in den Jahren nach der Finanzkrise gut. Den jüngsten Verwerfungen an den Börsen konnten sich auch defensive Titel nicht entziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2016)

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