Droht jeder Aktie ein Nokia-Schicksal?

A hand out image
A hand out image (c) � STR New / Reuters
  • Drucken

Aktien. Technologieunternehmen können binnen kurzer Zeit ihres Geschäftsmodells beraubt werden. Auch Banken oder Autofirmen sind harten Herausforderungen ausgesetzt.

Wien. Es war die Erfolgsgeschichte des ausgehenden Jahrtausends: Der Aktienkurs des finnischen Handyanbieters Nokia hatte sich in den drei Jahren von 1997 bis 2000 verzehnfacht, während der einstige Handypionier Motorola nicht mehr vom Fleck kam. Nokias Weltmarktführerschaft auf dem Mobilfunkmarkt schien unangreifbar. Was folgte, ist bekannt: Nokia verschlief das Smartphone, die Aktie brach ein, das Unternehmen verkaufte sein Handygeschäft an Microsoft und fristet nunmehr als Netzwerkausrüster sein Dasein. Der Aktienkurs ist wieder dort, wo er 1997 schon einmal war.

Den Siegeszug trat Apple an. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Kurs des iPod- und iPhone-Anbieters versiebenundzwanzigfacht. Doch seit Juli des Vorjahres hat er um ein Fünftel verloren. Wird Apple das neue Nokia? DNB-Experte Mike Judith will Apple noch nicht abschreiben. Man habe das Unternehmen im DNB Technology Fonds noch mit vier Prozent gewichtet. Zum Vergleich: Im weltweiten Technologieindex MSCI World Technology Index hat Apple einen Anteil von fast 13 Prozent. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 590 Mrd. Dollar ist es nach wie vor das weltgrößte börsenotierte Unternehmen. Die Geschichte zeige jedoch, dass der digitale Umbruch von disruptiven (störenden) Prozessen begleitet werde, dass also neue Ideen ganz rasch herkömmliche Geschäftsmodelle in Bedrängnis bringen: Das größte Taxiunternehmen der Welt, Uber, besitzt keine eigenen Fahrzeuge. Das populärste Medienunternehmen, Facebook, produziert keine eigenen Inhalte. Die weltgrößte Handelsplattform der Welt, Alibaba, hat keinen eigenen Lagerbestand. Der größte TV-Sender in den USA heißt YouTube. Die Werbeerträge herkömmlicher Medien sind in nur acht Jahren um 31 Mrd. Dollar pro Jahr gesunken, jene von nur zwei Unternehmen – Google und Facebook – haben sich um 29 Mrd. Dollar erhöht.

Diesmal sind Tech-Firmen profitabel

Technologieaktien machen inzwischen 14Prozent des globalen Aktienindex MSCI World aus. Eine Blase? Die Situation unterscheide sich deutlich von der Dotcom-Blase der Neunzigerjahre, sagt Judith. War damals nur jedes zweite Tech-Unternehmen profitabel, schreiben heute 90Prozent Gewinne. Auch sind Technologieaktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 kaum teurer als der Gesamtmarkt (15). Dennoch: Die Schnelligkeit, mit der die Veränderungen in den vergangenen Jahren erfolgt sind, macht Buy-and-Hold-Anlegern (die Aktien jahrelang im Depot halten) das Leben schwer.

Durchsetzen würden sich in Zukunft jene Unternehmen, die auf eine Störung ihres Geschäftsmodells gefasst seien und damit umgehen können, meint auch Neil Dwane, der als Global Strategist für die volkswirtschaftliche Analyse von Allianz Global Investors verantwortlich ist. Während die Generation der heute 50- bis 60-jährigen Babyboomer Autos als Symbole der Freiheit geschätzt habe, würden das die 18- bis 35-jährigen Millennials anders sehen. Mit dem Durchbruch des fahrerlosen Autos könnten Carsharing-Modelle an Bedeutung gewinnen, sodass man künftig viel weniger Autos benötige als heutzutage. Auch kommen Elektromotoren mit viel weniger bewegten Teilen als herkömmliche Autos aus und seien einfacher herzustellen, sodass den etablierten Autoherstellern leichter Konkurrenz erwachsen kann. Welche Unternehmen von diesem Trend profitieren, sei noch nicht abzusehen, aber der Trend werde einsetzen, meint Dwane. So wie Amazon dem traditionellen Einzelhandel zusetze, seien auch die Banken zunehmend starker Konkurrenz durch IT-Firmen („Fin-Techs“) ausgesetzt.

Als Positivbeispiel für ein Unternehmen, das sich dem Wandel gestellt habe, führt Dwane den Softwarekonzern SAP an. Das Unternehmen konkurrenzierte sein eigenes Geschäft (bei Kunden Lizenzsoftware installieren, für die gleich bezahlt werden muss) durch den Umstieg auf Mietsoftware aus dem Internet (Cloud-Software). Das sei zunächst schwierig gewesen, doch 2015 schaffte SAP wieder einen Rekordgewinn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.