Die Angst der Vermögenden vor politischen Verwerfungen

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In unsicheren Zeiten nimmt das Bedürfnis nach Sicherheit zu. Viele wollen ihr Geld aus der EU schaffen.

Wien. Finanzkrise, Griechenland-Krise, Konjunkturkrise, Flüchtlingskrise. In den vergangenen Jahren gab es genügend Momente, sich über den Zustand der Welt zu sorgen. Damit einher ging freilich noch anderes: die Angst vor dem Verlust des Vermögens. Seit die Zentralbanken damit begonnen haben, die Zinsen zu senken, müssen Anleger immer mehr Risiko eingehen, um Renditen zu erzielen. Zwar haben sich Wohlhabende aufgrund ihres Vermögens damit leichter getan als Geringverdiener. Doch ihre Sorgen sind deswegen nicht minder ernst zu nehmen.

„Politische und wirtschaftliche Verwerfungen wirken sich auf das Kundenverhalten aus. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität nimmt zu“, sagt Lucien Berlinger, Vorstandsvorsitzender der Zürcher Kantonalbank Österreich. Das Institut betreut hierzulande eine vermögende Klientel, und diese denkt immer mehr darüber nach, ihr Vermögen geografisch zu diversifizieren. Soll heißen: „Es gibt Überlegungen, Teile des Vermögens außerhalb der EU zu verwahren“, sagt Berlinger. Aufgrund der Nähe Österreichs zur Schweiz liegt ein Ausweichen auf das Nachbarland nahe.

Nicht nur einzelne Kunden, sondern auch wohlhabende Familien oder Firmen würden auf eine derartige Streuung ihres Vermögens setzen. Vermögen in dreistelliger Millionenhöhe würden eher global diversifiziert, so Berlinger, um Geld in mehreren Ländern zu haben. Die Gründe dafür: „Es gibt Risken, wie beispielsweise Kapitalverkehrskontrollen.“ Hatte die Schweiz früher den Nimbus einer Steueroase, gilt das so längst nicht mehr. Jeder Kapitaltransfer in oder aus der Schweiz muss gemeldet werden, wenn er die Grenze von 50.000 Euro übersteigt.

Hohe Renditeerwartungen

Eines bemerkt Berlinger auch: Bankkunden in Österreich sind generell unzufriedener als jene in der Schweiz, risikoaverser sind sie obendrein. Doch gleichzeitig haben die Österreicher hohe Erwartungen an die Rendite. „Der Österreicher kann mit der Rendite also gar nicht zufriedener sein als der Schweizer, weil er mit einer tiefen Risikobereitschaft, also einem geringen Aktienanteil und einer höheren Liquiditätsquote, die Voraussetzungen dafür nicht schafft“, sagt Berlinger.

Die Zürcher Kantonalbank Österreich drängt ihre Kunden zu investieren. Die Investitionsquote des Instituts ist in Österreich mit mehr als 90 Prozent überdurchschnittlich hoch. Geld zinslos zu parken sei in Zeiten mit einer Inflationsrate von rund einem Prozent keine Option, sagt Berlinger. Zudem müssen die Banken derzeit mit Strafzinsen operieren. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)

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