Was der vergangene Kurs über die Zukunft sagt

(c) Bloomberg (Michael Nagle)
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Charttechniker versuchen, in Kursverläufen von Aktien Muster zu erkennen, die sich in Zukunft wiederholen könnten. Die Methode ist jedoch umstritten - und vor allem für Privatanleger nicht so leicht anzuwenden.

Wien. Die einen halten sie für Kaffeesudleserei, die anderen für ein sinnvolles Hilfsmittel, das Investitionsentscheidungen unterstützen kann – die Rede ist von der Charttechnik bzw. der technischen Analyse. Diese beschäftigt sich – streng nach Literatur – mit den Kursen bzw. der Preishistorie von Aktien oder anderen Anlageklassen und geht von bestimmten wiederkehrenden Mustern und Trendkanälen aus, die als Basis für Kauf- oder Verkaufsentscheidungen dienen.

Dabei bildet sie einen Gegenpol zur fundamentalen Analyse, die versucht, den fairen Wert von Aktien zu ermitteln. „Aus akademischer Sicht widerspricht die Charttechnik der klassischen Markteffizienztheorie, die besagt, dass Aktienkurse zu jedem Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen widerspiegeln und die Märkte deshalb effizient sind“, erklärt Josef Zechner, WU-Professor für Finance and Investments und Mitglied der Wissenschaftlichen Leitung bei Spängler IQAM Invest.

Früherer Kurs sagt nicht viel

Die Charttechnik hat viele Aspekte und ist insgesamt nicht so einfach, wie sie von ihren Jüngern gern dargestellt wird. Einerseits wird versucht, über die Analyse von Kursverläufen Muster oder Formationen abzuleiten, um Trends, Widerstände, Unterstützung oder die Umkehr eines Trends auszumachen. Andererseits zieht man technische Indikatoren heran, etwa den gleitenden Durchschnitt, das Momentum oder den Relative Strength Index RSI (siehe Tipps). Voraussetzung für deren Anwendung: Man muss verstehen, was hinter einem Indikator steht bzw. welche Aussagekraft er hat.

Bei Pioneer Investments Austria ist die Charttechnik kein Thema, wie Fondsmanager Andreas Wosol erklärt: Sie beschäftige sich ausschließlich mit Kursen bzw. der Preishistorie von Wertpapieren und versuche, daraus Muster abzuleiten. „Meine Aufgabe als aktiver Fondsmanager ist es, mich mit dem Wert einer Aktie zu beschäftigen, um über diesen Fokus Mehrwert zu schaffen“, sagt er. Die historischen Preise könnten daher nicht die Grundlage für eine Entscheidung sein, sondern maximal ein Mittel, um zu sehen, wie der Markt eine Aktie sehe. Nachsatz: „Die Preise sind die schlechteste Quelle, um Entscheidungen zu treffen, da sie stark durch menschliches Missverhalten zustande kommen können.“

Privatanlegern raten Experten davon ab, Investitionsentscheidungen auf Basis der technischen Analyse zu treffen. Für Erste-Group-Analyst Christoph Schultes eignet sie sich maximal als Hilfsmittel. „Als Privatanleger sollte man eine gewisse Idee haben, wieso man ein Wertpapier kauft – etwa wegen der attraktiven Dividende, möglichen Wachstumsperspektiven oder weil ethische Kriterien erfüllt werden.“ Und Zechner meint: „Versucht man auf Basis großer Datenmengen historische Verlaufmuster zu finden, muss man bedenken, dass diese zufällig zustande kommen können und sich womöglich nie mehr wiederholen.“

Für institutionelle Anleger spiele die Charttechnik eine Rolle beim Treffen von kurzfristigen Entscheidungen, so Schultes. Auch bei Spängler IQAM schauen die Händler auf Chartinfos, weil sie Über- und Unterbewertungen aufzeigen können.

ATX „bullish“

Welche Schlüsse lassen sich mittels Charttechnik aus der ATX-Entwicklung ziehen? Laut Schultes habe der heimische Leitindex gerade im zweiten Anlauf die 200-Tage-Linie durchbrochen, was als ein bullishes Zeichen gedeutet werden könne. „Zudem bildet sich ein neues Jahreshoch heraus, was bedeutet, dass die meisten kurzfristigen technischen Faktoren ein Kaufsignal generieren“, erklärt er. Nachsatz: „Der positive Trend muss erst bestätigt werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

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