Der Weg zur Rendite wird mühsamer

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Aufgrund der starken politischen Unsicherheit dürfte das zweite Halbjahr für Anleger herausfordernd bleiben. Das gilt vor allem für Europa. US-Aktien sind zwar teuer, werden aber als sicherer Hafen wahrgenommen.

Wien. Nachdem der Brexit verdaut ist – haben die europäischen Börsen jetzt endlich das Schlimmste hinter sich? Oder soll man auch im zweiten Halbjahr auf Nummer sicher gehen und US-Aktien und Anleihen kaufen? Die Experten der Allianz raten, Unternehmensanleihen, US-Aktien und Papiere aus den Schwellenländern zu kaufen, europäische Aktien – neben japanischen – aber unterzugewichten, das Engagement also zurückzufahren.

Als Gründe führen sie die Unsicherheit nach dem Brexit an. „Von einem Börsensommer mit Sonnenschein sind wir weit entfernt“, stellte Martin Bruckner, Vorstandsmitglied der Allianz Investmentbank, fest. Am relativ besten sollte es noch jenen britischen Unternehmen ergehen, die global aufgestellt sind und vom schwachen Pfund profitieren. Für US-Aktien sehen die Experten indes rosigere Aussichten. Dieser Markt profitiere in schwierigen Zeiten von seinem defensiven Charakter, werde also als sicherer Hafen wahrgenommen. Auch der zuletzt schwächere Dollar helfe den Unternehmen in den USA. Eine kleine Einschränkung gibt es jedoch: US-Aktien seien weiterhin historisch teuer – das sind sie freilich schon länger.

Welt hinkt den USA hinterher

Seit 77 Monaten hinken internationale Aktien den US-Aktien hinterher – so lange wie seit 1972 nicht. Wird sich das umkehren? Die Experten der Capital Group sind vorsichtig. Sie verweisen in ihrem Halbjahresausblick auf die hohen Schulden, den Deflationsdruck und das nachhaltig schwache Wachstum, unter dem Europa leide. Die Geschichte habe jedoch gezeigt, dass auf lange Zeiten der Mindererträge oft Mehrerträge folgten. Anlegern raten sie zu Geduld und Portfoliodiversifikation. Bei den Schwellenländern empfehlen sie, selektive Chancen zu ergreifen, die sich durch die wachsende Zahl von Internet-Nutzern in China und Indien ergeben. Davon könnten Banken wie HDFC und ICICI, Telekomfirmen wie Bharti Airtel und Vodafone, aber auch Onlinehändler wie Alibaba und Amazon, profitieren.

Auch der Wiener Leitindex ATX dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte der allgemeinen Unsicherheit nicht entziehen können. Die Aktienkurse von Unternehmen wie Wienerberger und Zumtobel, die einen Teil ihres Geschäfts in Großbritannien erzielen, sind bereits in Mitleidenschaft gezogen worden. „Allerdings produzieren sie auch vor Ort, was die Auswirkungen mildern sollte“, meint Raiffeisen-Analyst Stefan Maxian. Dennoch sehen die Raiffeisen-Analysten für den ATX kein allzu großes Potenzial. Der Index, der sich zuletzt bei 2060 Punkten bewegte, sollte bis Jahresende auf 2100 Zähler ansteigen.

Die heimischen Unternehmen haben zwar mehr Beziehungen zu Osteuropa als zu Großbritannien. Doch könnten die Unternehmen indirekt von einem Rückgang der Investitionstätigkeit aufgrund der Unsicherheit betroffen sein. Auch würden die osteuropäischen Länder als Nettoempfänger mittelfristig den EU-Austritt des Nettozahlers Großbritannien spüren, fürchtet Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek.

Bei der Deutschen Bank ist man ebenfalls bei US-Aktien „übergewichtet“. Doch werde man in den kommenden zwölf Monaten allmählich den Fokus auf europäische und japanische Aktien legen, beide Regionen wiesen günstigere Bewertungen auf, sagt Deutsche-Bank-Experte Gérard Piasko. Nach dem Brexit-Votum werde sich allerdings die britische und die kontinentaleuropäische Wirtschaft abschwächen. Mit entsprechenden Konsequenzen für den Euro. „Auf Zwölf-Monatssicht dürfte dieser auf 1,05 Dollar sinken“, so Piasko. Das würde wiederum europäischen Unternehmen helfen.

Chancen bei Technologieaktien

Auch eine Branche sticht positiv hervor: „Der Technologiesektor wartet mit Innovationen auf, hier sehen wir interessante Chancen.“ Bei Rohstoffen habe man sich von der Untergewichtung verabschiedet – und die Position erhöht, um von der Trendwende zu profitieren.

Anleger, die lieber auf Anleihen setzen wollen, werden mit sicheren Bonds, die inzwischen Minusrenditen abwerfen, kaum eine Freude haben. Hier könne man laut Piasko etwa in Staatsanleihen aus der südlichen Peripherie investieren, sie würden eine Rendite von durchschnittlich 1,5 Prozent erzielen. Die aktuelle Krise rund um Italiens Banken sollte keinen Einfluss auf italienische Staatsanleihen haben – „dank des EZB-Anleihekaufprogramms gibt es hier praktisch keine Verbindung mehr“. [ iStockphoto ]

Was Sie beachten sollten bei . . . der Streuung des Vermögens

Tipp 1

Anlageklassen. Sichere Staatsanleihen rentieren zwar häufig negativ, dennoch ist es riskant, auf Anleihen ganz zu verzichten und nur auf Aktien zu setzen. Eine Alternative zu Anleihen sicherer Staaten sind etwa Unternehmensanleihen, Anleihen aus Schwellenländern sowie solche aus der europäischen Peripherie (etwa Italien oder Spanien).

Tipp 2

Regional streuen. US-Aktien sind teuer, profitieren derzeit aber von der Flucht der Anleger in sichere Häfen. Papiere aus Europa und den Schwellenländern sind billiger, werden derzeit aber eher gemieden. Wann sich das umdreht, weiß niemand. Sinnvoll ist es daher, das Vermögen regional breit zu streuen und auf Wertpapiere aus verschiedenen Regionen zu setzen.

Tipp 3

Sektoral streuen. Defensive Branchen (Gesundheit, Konsumgüter, Nahrungsmittelhersteller) halten sich in schwierigen Zeiten relativ gut, in Aufschwungphasen geht es aber mit defensiven Aktien nicht so steil nach oben wie mit Papieren aus zyklischen Sektoren (Industrie, Rohstoffe, Autohersteller). Auch hier ist es sinnvoll, von beidem etwas zu haben.

Tipp 4

Peripherie. Staatsanleihen mit positiver Verzinsung findet man etwa in der europäischen Peripherie. Zehnjährige italienische oder spanische Staatsanleihen werfen noch mehr als ein Prozent pro Jahr ab. Dass sie auch riskanter sind (etwa wegen der italienischen Bankenkrise), glauben Experten wegen der geringen Verflechtung eher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2016)

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