Übernahmen freuen nicht alle

Linde AG, Technische Gase
Linde AG, Technische GaseMartin Geene/vario images/ picturedesk.com
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An der Börse liegen derzeit Milliardendeals in der Luft. Doch für Aktionäre beginnt dann oft eine Reise ins Ungewisse. Zukäufe sind nämlich nicht immer sinnvoll.

Es soll eine Fusion unter Gleichen sein, die den deutschen Industriegasespezialisten Linde wieder zurück an die Weltspitze katapultiert. Auch den Aktionären gefiel die Idee, dass der 137 Jahre alte Betrieb Fusionsgespräche mit seinem US-Rivalen Praxair führt. An der Börse kam die Nachricht gut an. Das Papier kletterte zwischenzeitlich um zehn Prozent. Preis, Zeitraum und Rahmenbedingungen des Zusammenschlusses sind freilich noch unklar, ebenso wie die Frage, ob der Deal überhaupt zustande kommt.

Die Fusion zwischen Linde und Praxair wäre nicht die erste Transaktion in diesem Jahr, bei der sich Anleger die Hände reiben könnten. Doch so gigantisch die Käufe und Übernahmen der vergangenen Monate auch anmuten: Anleger haben nicht immer etwas davon. Aktionäre profitieren in erster Linie dann, wenn sie Papiere eines Unternehmens besitzen, das Interesse bei einem seiner Konkurrenten erweckt. Doch welcher Konzern ins Visier eines anderen gerät, lässt sich im Vorfeld leider kaum vorhersagen.

Lachen konnten zuletzt etwa die Anteilseigner des deutschen Roboterbauers Kuka. Der chinesische Hausgerätehersteller Midea hat ein Angebot zur Übernahme des einstigen MDAX-Wertes gelegt. Zwar werden die Inhaber von der Integration in den weit größeren Konzern langfristig nicht profitieren, da der Großteil der Aktien in den Besitz der Chinesen gewandert ist. Doch immerhin hat sich der Preis für das Kuka-Papier seit dem Übernahmeangebot um ein Fünftel erhöht.

Auch Anleger, die ihr Geld in den britischen Chipausrüster ARM gesteckt haben, durften sich über einen ordentlichen Kurssprung freuen. Der japanische Telekomkonzern Softbank schnappte nach dem EU-Austrittsreferendum der Briten überraschend zu und zahlte für ARM einen Aufschlag von satten 40 Prozent. Ein Preis, den viele für überhöht hielten, doch Softbank-Inhaber Masayoshi Son sieht im Internet der Dinge das nächste große Geschäft. Der Deal kann also durchaus aufgehen, doch können ARM-Aktionäre nicht mehr partizipieren. Das Unternehmen soll von der Börse genommen werden.


Schnäppchen oder Nepp.
„Es ist immer die Frage, wie eine Firma wächst, ob organisch oder durch Zukäufe“, sagt Robert Karas von der Schoellerbank. Letzteres müsse man immer hinterfragen. Denn meist werden bei Übernahmen immense Prämien bezahlt, die zwar viel kosten, langfristig aber wenig bringen. Beobachten müsse man daher, ob eine eingekaufte Firma überhaupt zum Käufer passe – und ob man etwas Besseres daraus machen kann. „Die Grundhaltung sollte also eher skeptisch sein, Übernahmen bringen nämlich meist wenig“, sagt Karas.

Seit Längerem schon versucht beispielsweise der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Bayer den US-Saatgutriesen Monsanto zu übernehmen. Viele empfinden das Angebot von 122 Dollar je Anteilsschein (in Summe geht es um 62 Mrd. Dollar) als zu hoch. Monsanto-Aktionäre durften sich nach Bekanntwerden der Offerte hingegen freuen. Der Kurs des Papiers legte zu, während die Titel von Bayer eher seitwärts tendieren.

Dass die Deutschen ihr Angebot nachbessern, ist nicht ganz ausgeschlossen, derzeit überprüfen sie die Bücher des umstrittenen US-Konzerns. Kurzfristig wird sich der Deal, sofern er zustande kommt, für Bayer-Aktionäre jedoch nicht rechnen. Langfristig könnte das Unternehmen so allerdings bei der Konzentration auf dem Markt für Planzenschutzmittel bessere Karten haben.

Nicht immer haben sich Übernahmen in der Vergangenheit gelohnt. In der Konsumgüterindustrie jedoch funktionieren sie erstaunlich gut, wie Karas sagt. Auch wenn die Großen dort für Kleinere ebenfalls beträchtliche Summen auf den Tisch legen, seien sie in der Lage, Produkte durch bestimmte Verteilmechanismen geschickt zu platzieren. Der Smoothie-Hersteller Innocent gehört beispielsweise zu Coca-Cola und ist erst seither in jedem Supermarktregal zu finden. Einen feinen Unterschied gibt es hier aber: Das Unternehmen war nie an der Börse notiert.

Alarmiert sollten Anleger sein, wenn Übernahmen durch Ausgabe neuer Aktien finanziert werden. Vor allem, wenn die Aktien des Käufers als unterbewertet gelten. Ist das Papier hingegen teuer, kann diese Variante besser als ein Bargelddeal sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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