Ein Turnschuh wie eine Aktie

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Rare Streetwear ist vom Untergrund-Phänomen zur kommerziellen Obsession geworden - inzwischen gibt es sogar eine Online-Börse für Sneakerheads.

New York/Wien. Was kostet ein Paar Sneaker? 50, 100 oder sogar 200 Dollar? Ja, auch – aber für ein besonders rares Modell sind manche Menschen bereit, auch mehrere tausend Dollar auf den Tisch zu blättern. Sneakerheads nennen sich diese Freaks, die bereit sind, für seltene Kleidungsstücke von Kultlabels tief in die Tasche zu greifen, um gleich darauf daraus Profit zu schlagen.

Die Sneakerhead-Kultur gibt es zwar schon lang, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland. Jetzt hat sich daraus ein Milliardenmarkt entwickelt, den die Branchengrößen wie Nike oder Adidas auch für sich nützen. Der Handel mit solchen Raritäten wird nicht mehr im stillen Kämmerlein abgewickelt – an Onlinebörsen werden Turnschuhe inzwischen wie Wertpapiere gehandelt. Sie sind zur Geldanlage geworden.

An der Onlinebörse StockX werden limitierte Neuauflagen, aber auch Klassiker gehandelt. Das Unternehmen präsentiert seine Website im Stil einer Investment-Plattform: Der aktuelle Kurs eines Schuhs wird anhand von Angebot und Nachfrage laufend ermittelt. Es gibt die beliebtesten Modelle, die niedrigsten und höchsten Gebote. Da kann man sehen, dass ein Adidas Yeezy Boost 350 Low Pirate Black (so heißt der edle Treter) um 940 Dollar den Besitzer gewechselt hat. Und das laufende Höchstgebot bei 1400 Dollar liegt.

Dow Jones oder DAX heißen bei StockX Jordan Index, Nike Index und Yeezy Index – die Werte oszillieren wie bei den klassischen Indizes. Besonders gefragt sind Raritäten von Kultmarken wie Air Jordan oder Converse Chuck Taylor. StockX taxiert das Volumen dieses Zweitmarkts auf mehr als eine Milliarde Dollar. Und das Wertsteigerungspotenzial ist hoch. Vor Kurzem hat StockX bekannt gegeben, dass die Onlinebörse Firmen und Marken sogar echte Börsengänge (IPOs) von limitierten Modeartikeln möglich machen will.

Übernachten auf dem Gehsteig

In New York, wo Kult-Labels wie Supreme, 10.Deep, Stussy oder Kith zu Hause sind, ist die Szene besonders groß. Da sind auch Nachtschichten im selbst mitgebrachten Klappsessel auf dem Gehsteig in Manhattan keine Seltenheit. Fashion-Freaks reisen von fern an und bringen sich in Position, um bei der Eröffnung eines neuen Streetware-Geschäfts ganz vorn dabei zu sein. Manche treibt der persönliche Ehrgeiz, manche machen gute Geschäfte.

Als der Sportausrüstergigant Nike Anfang August einen neuen Fashion-Store eröffnete, war der Rummel so groß, dass der Sicherheitsdienst die Leute auf Abstand halten musste. Solche Szenen kannte man bisher nur, wenn Apple ein neues Smartphone in den Handel brachte – oder am Black Friday, dem traditionellen Start der Weihnachtseinkaufssaison am Freitag nach Thanksgiving.

Dass vor allem junge Leute der kommerziellen Obsession erliegen, ist verständlich. Sie kennen die Produkte und haben auch Zeit, stundenlang auf das Objekt der Begierde zu warten. „Die haben alle keine Jobs“, ätzen daher Zaungäste bei solchen Events. Was durchaus stimmen mag – manch einer betreibt das Geschäft inzwischen als Vollzeitjob. Sie schaffen es, vom Weiterverkauf der edlen Stücke leben zu können.

Das scheint durchaus plausibel, wenn man weiß, dass ein T-Shirt um 55 Dollar zwei Tage später für 225 Dollar einen Käufer findet. Bei Schuhen sind Gewinnspannen von mehreren 1000 Dollar keine Seltenheit. Wobei Exemplare, die Prominente schon an den Füßen hatten, am meisten bringen. Die Schuhe des ehemaligen Basketball-All-Stars Robert Parish kosteten 38.000 Dollar – mit Autogramm wohlgemerkt.

Laut der Analysefirma NPD Group ist der US-Markt für Sportschuhe im Vorjahr um acht Prozent auf 17,2 Mrd. Dollar gewachsen. Daran gemessen wirkt die Sammlernische noch klein. Für Branchengrößen wie Nike oder Adidas ist das Segment dennoch attraktiv. Über Gewinnspannen bei limitierten Modellen verraten die Konzerne nichts – aus Wettbewerbsgründen, wie es heißt. Fest steht: Der Hype stärkt die Marke. Und Partnerschaften, wie Adidas sie bei Yeezy Boost mit dem Rapper Kanye West eingegangen ist, verleihen Star-Appeal. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2016)

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