Geldanlage: Wirklich Billiges gibt es nicht mehr

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Während die Notenbanken Geld drucken, sind Anleihen extrem teuer geworden. Aktien sind nur relativ gesehen billiger.

Wien. So gelassen waren die Börsianers schon lang nicht mehr. Brexit und Türkei-Krise scheinen sie kalt zu lassen, die übliche Sommerflaute an den Börsen findet heuer nicht statt. Alle drei US-Leitindizes (Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq Composite) haben vergangene Woche schon wieder neue Allzeithochs erklommen, der DAX brachte es zumindest auf ein Jahreshoch. Die Angstindikatoren VIX und VDAX, die die erwartete Volatilität bei amerikanischen und deutschen Aktien messen, notieren nahe ihren Jahrestiefs. Die Debatten um eine weitere Zinsanhebung in den USA (die erste ist im vergangenen Dezember erfolgt) taten dem Optimismus keinen Abbruch.

Magere Gewinne

Schön langsam wachsen aber auch die Sorgen. Denn so gut, wie die Aktienkurse nahelegen, geht es den Unternehmen gar nicht. John Hardy von der Saxo Bank verweist in einem Marktkommentar darauf, dass die Analysten ihre Prognosen für US-amerikanische Großunternehmen sechs Quartale in Folge immer wieder nach unten korrigieren mussten und für das dritte Quartal einen Rückgang der Ergebnisse von 0,6 Prozent erwarten, was der größte Einbruch seit der Finanzkrise wäre.

Doch warum stört das die Anleger nicht? Die globalen Märkte seien wieder in der „verkehrten Welt“ angelangt, meint Hardy. Je schlechter die Zahlen, desto größer die Hoffnung der Anleger auf weitere Geldspritzen der weltweiten Notenbanken. Oder – im Fall der US-Notenbank Fed – auf eine Zurückhaltung bei der Zinserhöhung.

Vor allem bei amerikanischen Aktien lasse das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 20 „keinen Raum für Enttäuschungen“, stellen die Experten der HSBC fest und raten daher, eher asiatische und europäische Aktien zu kaufen, die noch relativ billig sind.

Doch was ist überhaupt billig? Im historischen Vergleich sind US-Aktien teuer. Das KGV liegt mit 20 über dem historischen Schnitt. Seit der Finanzkrise musste man für Aktien nicht mehr so tief in die Tasche greifen. In den Neunzigerjahren waren sie aber teurer – bis zu Beginn des Jahrtausends die Dotcom-Blase platzte.

Anleihen noch teurer

Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass andere Anlageklassen – etwa Anleihen – ebenfalls so teuer wie lang nicht mehr sind. Auch ihre Bewertungen kann man im KGV ausdrücken: US-Treasuries (Staatsanleihen) haben derzeit ein KGV von 70, Unternehmensanleihen von 35. Beide sind also teurer als Aktien. In den Neunzigerjahren war das umgekehrt, da waren Anleihen (aufgrund der hohen Zinsen) billiger als Aktien. „In einer unsicheren Welt ist es durchaus sinnvoll, der Sicherheit einen hohen Preis zuzumessen“, schreibt Geraldine Sundstrom, Leiterin des europäischen Asset-Management-Teams bei Pimco. Und US-Staatsanleihen gelten eben als sehr sicher. Unternehmensanleihen seien im Vergleich zu Staatsanleihen derzeit aber zu billig, selbst wenn man ihre etwas höhere Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtige. Hier würde der Markt eine schwere Rezession einpreisen, mit der Pimco nicht rechnet – „obgleich unserer Ansicht nach mit wachsenden Risken für die Weltwirtschaft zu rechnen ist“.

Anders schaut es bei Aktien aus. Dort sei die – im Vergleich zu Staatsanleihen – geringe Bewertung damit zu erklären, dass derzeit kaum jemand mit einer steigenden Inflation rechne (Aktien schützen vor Inflation besser als Anleihen.) Auch müsste eine Erholung der Unternehmensgewinne einsetzen, damit Aktien attraktiver werden. Fazit: „Kreditpapiere (Unternehmensanleihen) werden vermutlich attraktiv bleiben, während in Bezug auf Aktien alles offen ist.“

Hermann Wonnebauer, Vorstand der Zürcher Kantonalbank, sieht indes „keine echte Alternative zu Aktien“. Wer bisher in Staatsanleihen investiert war, die nun auslaufen, müsste bei einer Wiederinvestition Minuszinsen in Kauf nehmen. „So gesehen ist es noch besser, das Geld auf dem Konto liegen zu lassen“, schreibt er. Von politischen Ereignissen wie dem Brexit sollte man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen. „Politische Börsen haben kurze Beine.“ [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2016)

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