Wiener Börse trotzt Krisenängsten

(c) Clemens Fabry
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Der heimische Leitindex ATX hat trotz Ölpreiskrise und Brexit die Delle von Jänner und Februar fast wettgemacht. Grund sind starke Industriewerte wie Lenzing und RHI - und dass es die Banken weniger schlimm erwischt hat als anderswo.

Wien. Den globalen Börsen hat seit Jahresbeginn eine Reihe von Faktoren ihren Stempel aufgedrückt. Dazu gehören unter anderem Sorgen um die weitere Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und um eine mögliche Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums sowie das EU-Referendum in Großbritannien (Brexit). Die Folge: erhöhte Volatilität auf den Märkten. Dem hat sich auch die Wiener Börse nicht entziehen können. Mit einem Minus von einem Prozent seit Jahresbeginn hat sich der ATX im Vergleich zu vielen anderen europäischen Indizes allerdings noch ganz gut geschlagen.

Banken fielen nicht so tief

Die vergleichsweise passable Entwicklung des heimischen Leitindex seit Jahresbeginn führt Andreas Wosol, Manager des Pioneer Funds Austria – Austria Stock, darauf zurück, dass das Indexschwergewicht Erste Group (die fast ein Fünftel des ATX ausmacht) weniger verloren hat als andere europäische Banken. Zum Vergleich: Die Erste-Aktie hat seit Jahresbeginn knapp acht Prozent verloren, der EuroStoxx Banks 23 Prozent. Zudem waren Immobilienwerte sowie der zyklische Restteil des Marktes gut unterwegs. Top-Performer waren im bisherigen Jahresverlauf Lenzing (plus 56 Prozent), RHI (30), Verbund und Buwog (je 17) sowie Conwert (15 Prozent).

Am anderen Ende der Fahnenstange tummeln sich Werte wie Zumtobel (minus 37 Prozent), Vienna Insurance Group (minus 31), Uniqa (minus 25), AT&S (minus 23), Wienerberger (minus 16) und Erste Group (minus acht Prozent). Bleibt die Frage, ob sich unter den Nachzüglern nicht die eine oder andere Gelegenheit findet, mit der Anleger von einer künftigen Aufholjagd profitieren können.

„Auch wenn die Erste Group seit Jahresbeginn ein Minus von acht Prozent aufweist, so gehört sie im europäischen Bankensektor noch immer zu den Top-Performern“, meint Wosol, der nach eigenen Angaben „sehr konstruktiv auf die Aktie eingestellt ist“. Die heimische Großbank habe jedenfalls ihre Hausaufgaben gemacht, die Qualität der Kapitalbasis verbessert und die Profitabilität durch interne Maßnahmen – wie Einsparungen – gesteigert. Dazu kämen eine Wende seitens der Politik in Österreich – Stichwort reduzierte Bankenabgabe – sowie das gute Geschäft in Osteuropa.

Dem Markt hinterher hinkt mit einem Minus von fünf Prozent seit Jahresbeginn auch die Raiffeisen Bank International (RBI). „Die RBI zählt auf dem Wiener Markt wahrscheinlich zu den riskanteren Investments, weist aber auch die größten Chancen nach oben auf “, sagt Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken-Generali Investmentgesellschaft und Manager des 3 Banken Österreich-Fonds. Wichtig sei es, bezüglich der Fusion mit der Raiffeisen Zentralbank (RZB) das Vertrauen globaler Investoren zu gewinnen – RBI-Aktionäre müssten sich fair behandelt fühlen.

Problem niedrige Zinsen

„Am wichtigsten ist Kommunikation – vor allem internationale Investoren verstehen die komplexe Raiffeisen-Struktur nicht wirklich“, sagt der Experte. Das sei auch der Grund für einen Teil des Bewertungsabschlages.

Die niedrigen Zinsen bleiben ein Problem für die Banken. Sie haben dazu geführt, dass die Nettozinsspannen zurückgegangen sind und damit die natürliche Ertragskraft der Banken. Wenig Gutes bedeutet das Zinsniveau auch für die Versicherungen, was die Underperformance von Vienna Insurance Group und Uniqa erklärt. „Anleger glauben, dass Versicherungen keine Antworten auf das Niedrigzinsumfeld haben, und lassen Vorsicht walten“, erklärt Günther Schmitt, Manager des Raiffeisen Österreich Aktienfonds.

Schmitt hat indes die Kursverluste nach dem Brexit-Votum dazu genutzt, um seine Wienerberger-Position auszubauen, und auch Immobilienwerte aufgestockt. „Trotz des positiven Marktumfelds notieren S-Immo, CA Immo und Immofinanz unter ihrem Buchwert“, so der Fondsmanager. Die UBM, die zuletzt mit positiven Zahlen überrascht hat, leide darunter, dass sie – international gesehen – zu klein und illiquide sei. Auch die hohe Verschuldung belaste die Aktie.

Vor dem Brexit-Votum hat sich die Wienerberger-Aktie recht solide gehalten. Dann setzte ein Abschwung ein, von dem sich die Aktie nicht erholt hat; seit Jahresbeginn beläuft sich das Minus auf 16 Prozent. „Man kann von einem ausschließlichen Brexit-Phänomen sprechen“, so Wosol.

Brexit setzt Zumtobel zu

Anders sieht die Lage bei Zumtobel aus: Neben Wienerberger weist Zumtobel auf dem Wiener Markt das größte Großbritannien-Exposure auf (rund zehn Prozent Umsatzanteil). Doch bereits vor dem Brexit-Votum wurden zwei Gewinnwarnungen ausgegeben. „Einige Probleme sind hausgemacht – etwa das aggressive Restrukturierungsprogramm des neuen Managements, das die Schließung von Kapazitäten und die Verlagerung der Produktion auf kleinere Werke vorsieht“, so Wosol. Dazu komme die Marktschwäche im Beleuchtungsgeschäft. „Wegen der angeführten Probleme ist die Aktie für uns nicht attraktiv bewertet.“ [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2016)

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