Biotech: Chancen durch Welle der Innovation

(c) Bloomberg (Tomohiro Ohsumi)
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Fortschritte in der Behandlung von verschiedenen Krankheiten und zahlreiche Übernahmen machen die Biotechnologie-Branche für Anleger wieder zu einer interessanten Investmentmöglichkeit.

Wien. Nachdem sich die Aussichten in der Biotechnologie-Branche im vergangenen Jahr plötzlich eingetrübt haben, stellt sich nun die Frage, ob man der zaghaften Trendwende an der Börse trauen kann. Eine wichtige Branchenmesslatte, der Nasdaq Biotechnology Index, ist seit seinem Tief im heurigen Februar zwar um mehr als 20 Prozent gestiegen. Doch im Juli 2015 war er von seinem Höchststand zunächst um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Was war passiert?

Die erste Abwärtswelle löste ausgerechnet US-Notenbankchefin Janet Yellen aus. Sie hatte sich besorgt über die enormen Kurssteigerungen gezeigt. Daraufhin bekamen die ersten Investoren kalte Füße. Wenig später, im September, erfolgte eine weitere große Abverkaufswelle. „Hillary Clinton hatte ihre Präsidentschaftskampagne gestartet und sich auf die Medikamentenpreise eingeschossen“, sagt Harald Kober, Senior Fondsmanager des ESPA Stock Biotec. Auslöser war eine Aktion von Turing Pharmaceuticals, die kurz zuvor das HIV-Medikament Daraprim kaufte und dessen Preis von 13,50 auf 750 Dollar pro Tablette erhöhte.

Clintons Wunsch nach strengerer Regulierung verschreckte zahlreiche Anleger. Ein Ende der bisherigen US-Preispolitik wurde befürchtet, sollte sie das Rennen um das Amt des US-Präsidenten machen, erklärt Kober. Für Kober ist der Ausgang der US-Wahlen jedoch kein Grund, um ein Investment abzuwarten. Viele der Ängste um mögliche Änderungen im US-Gesundheitssystem seien bereits eingepreist, sagt er. „Auch unter einer Präsidentin Clinton sollte das Wachstum für innovative Medikamente möglich sein.“ Und dieses gibt es vor allem in den USA.

Onkologie im Fokus

Evan McCulloch, Fondsmanager des Franklin Biotechnology Discovery Fund, erklärt: „Die US-Medikamentenpreise liegen weit über jenen in Europa. Deshalb erzielen die Unternehmen in den USA höhere Gewinne, der Sektor ist dort entsprechend länger etabliert.“ Auch die Bewertungen der Aktien werden inzwischen nicht mehr als zu hoch gesehen. Wobei McCulloch den Abverkauf des vergangenen Jahres ohnehin für völlig übertrieben hält. Was den Franklin-Experten besonders optimistisch stimmt: „Es fegt eine Welle an Innovationen durch die Branche, etwa im Bereich der Sequenzierung menschlicher Genome.“

Hier seien die Kosten stark gesunken. Einen Durchbruch hat es zudem bei der Heilung von Hepatitis C gegeben. Den entsprechenden Medikamentencocktail, in dem unter anderem Sovaldi enthalten ist, verkauft Gilead. Das Mittel wurde vom Start-up-Unternehmen Pharmasset entwickelt und im Jahr 2012 samt Entwickler von Gilead geschluckt. „Jetzt wird auch der HIV-Bereich stark entwickelt“, erklärt McCulloch. Doch damit ist längst nicht Schluss. Nun seien Krankheiten wie zum Beispiel Multiple Sklerose, aber auch die Onkologie, in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt, so Kober. Ziel sei es hier, Tumorerkrankungen durch die Immuntherapie bzw. die Gentherapie unter Kontrolle zu bringen. Allerdings seien die verschiedenen Krebsarten komplex und sehr unterschiedlich. Was aber die Unternehmen nicht davon abhält, zu forschen.

So ist etwa Celgene in der Onkologie mit dem Leukämie-Mittel Revlimid verankert. Das jährliche Gewinnwachstum für den Konzern wird auf gut 20 Prozent geschätzt, sagt McCulloch. Allerdings läuft das Patent im Jahr 2024 aus, deshalb denkt man bereits an die Zeit danach. „Dazu zählen neue Partnerschaften mit jungen Biotech-Unternehmen wie Bluebird Bio.“ Das Unternehmen entwickelt das Krebsmittel Car-T.

„Auch seltene Krankheiten sind schon seit Jahren ein Tummelfeld für viele Mitspieler, hier gibt es eine hohe Preismacht“, erklärt Kober. Von den mehr als 7000 derartigen Krankheiten sind erst rund fünf Prozent erforscht. Entsprechend setze man im Biotech-Fonds Schwerpunkte in dem Bereich, etwa mit Shire Biopharmaceuticals und Biomarin Pharmaceutical.

Wachstum durch Zukäufe

Doch auch prominente Übernahmen sorgen derzeit für Schlagzeilen. Für Pharmakonzerne ist dies der einfachste Weg zu wachsen. Vor wenigen Monaten schluckte der US-Riese Pfizer den Krebsspezialisten Medivation für 14 Milliarden Dollar. Letzterer entwickelte das Blockbuster-Mittel Xtandi gegen Prostatakrebs. Ein Ende der Kauflust dürfte nicht so rasch in Sicht sein, zumal große Biotech-Unternehmen nun ebenfalls Appetit bekommen. Erst im Vorjahr kaufte etwa die US-Firma Celgene ihren Konkurrenten Receptos für 7,2 Mrd. Dollar, um bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten eine wichtigere Stellung einzunehmen.

Trotzdem sollten nur Anleger in das Thema Biotech investieren, die auch mit den Nebenwirkungen umgehen können. Hohe Schwankungen dürften eine laufende Begleiterscheinung zu den ebenso lukrativen Kurschancen bleiben. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2016)

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