Aktien: Schwaches Jahr mit positiven Überraschungen

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Die Entwicklung der europäischen Aktienmärkte war in den ersten drei Quartalen durchwachsen. Dafür haben sich die Anleihenmärkte gut entwickelt. Auch die Schwellenländer überzeugten.

Wien. Das Jahr an den Börsen hat ziemlich unschön begonnen: Sorgen um die Konjunkturentwicklung Chinas und der Ölpreisverfall haben im Jänner zu einer starken Kurskorrektur an den Märkten geführt. Im Februar setzte eine Gegenbewegung ein, doch war sie bisher nicht stark genug, um die Verluste überall auszugleichen.

Und so kommt es, dass nicht nur der Weltaktienindex im bisherigen Jahresverlauf seitwärts tendierte, der für Europa wichtige Eurostoxx lag zum Ende des dritten Quartals sogar neun Prozent im Minus. Auch der Frankfurter Leitindex zeigt heuer nach unten, der ATX steht etwas besser da. Für die Wiener Börse erwartet die Raiffeisen Centrobank im vierten Quartal jedoch einen Anstieg von derzeit rund 2415 auf 2500 Punkte.

Die britische Börse erholte sich auf Pfund-Basis erstaunlich gut – und das trotz der Abstimmung über den EU-Austritt. Auf Eurobasis notiert der Index allerdings sechs Prozent im Minus. Der große Gewinner war im bisherigen Jahresverlauf aber der Goldpreis. Er stieg vor dem Hintergrund zahlreicher Unsicherheiten um gut ein Fünftel an.

Deutlich besser als von vielen geglaubt haben sich auch die Anleihenmärkte entwickelt. „Über alle Laufzeiten hinweg konnten Investoren mit deutschen Staatsanleihen in diesem Jahr ein Plus von sechs Prozent erzielen“, sagt Monika Rosen von der Bank Austria. Und das trotz vielfach negativer Renditen. Anleihen im Portfolio zu halten, hat dennoch Sinn.

Dafür ist das Rückschlagpotenzial bei Staatspapieren derzeit hoch. Immer wieder warnen Experten vor dem Platzen einer Blase. Sollten die Zinsen anziehen, trifft das Zinsänderungsrisiko die Anleihenmärkte mit voller Wucht. Da in dieser Zeit neue Anleihen mit besseren Zinsen auf den Markt kommen und alte Papiere an Attraktivität und Wert verlieren. Spürbare Rücksetzer sind freilich auch früher möglich. Etwa dann, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) nicht mehr gewillt ist, auf dem Anleihemarkt zu intervenieren. Ein Problem, das sich in den USA so nicht stellt. Die Renditen der Anleihen sind dort höher, das Anleihenkaufpogramm der Fed bereits ausgelaufen.

Brasilien legt deutlich zu

Wer sich vor einem möglichen Absturz rechtzeitig in Stellung bringen möchte, hat freilich ein anderes Problem: Wo sonst investieren?

Nimmt man die Vergangenheit als Maßstab, wären die Anleihen- und Aktienmärkte der Schwellenländer ein gutes Investment gewesen. Diese sind heuer um mehr als zehn Prozent gestiegen. Auch Brasiliens Aktienmarkt legte merklich zu. Ob das auch so bleibt?

„Viele Experten sehen eine wirtschaftliche Erholung in dem Land ab 2017, Leitzinssenkungen werden ebenfalls erwartet. Das alles ist gut für die Börse“, sagt Rosen. Der Leitindex Ibovespa legte heuer um 60 Prozent zu, und das trotz aller politischen Probleme. Für den Aufschwung sorgten unter anderem die Rohstoffpreise, der vorherige Ausverkauf bot attraktive Einstiegsniveaus. Emerging-Markets-Investoren könnte eine Zinserhöhung in den USA jedoch auf dem falschen Fuß erwischen. Traditionell fließen in so einem Fall Gelder ab. Doch hat die Notenbank Fed bereits angekündigt, die Zinsen im kommenden Jahr nur zweimal erhöhen zu wollen. „Je sanfter die Zinserhöhung, desto besser“, sagt Rosen.

Die nächste Zinssitzung der Fed steht allerdings schon im Dezember an. Sollten die Konjunkturdaten zu schwach sein, wäre eine abermalige Verschiebung der Leitzinserhöhung denkbar. Das könnte in diesem Jahr noch zu einer Rallye führen, sagt Rosen. Einen großen Unsicherheitsfaktor gibt es noch: die Wahlen in den USA. „Das Risiko eines Sieges von Donald Trump ist derzeit nicht eingepreist.“ Doch gerade der Brexit habe gezeigt, wie schnell sich die Börse nach einem kurzen Absturz erholen kann.

Erholt sich Europa?

Wie sich die Börsen in Europa weiterentwickeln, wird jedoch auch stark von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. „Aufholpotenzial ist hier sicherlich gegeben“, sagt Rosen. Raiffeisen Research erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 1,6 Prozent. „Paradoxerweise ist die Stimmung in Europa derzeit schlechter, als es die Wachstumszahlen eigentlich belegen“, schreibt Chefanalyst Peter Brezinschek. Obwohl ständig über Konjunktursorgen berichtet werde, seien die Zahlen auf Jahresbasis durchaus passabel.

Bei der Fondsgesellschaft Fidelity International glaubt man, dass zum Jahresende mit einer „gewissen Wachstumsabkühlung“ zu rechnen ist. Dass die EZB zu weiteren geldpolitischen Maßnahmen greifen wird, sei daher wahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2016)

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