Börsen im Bann der US-Wahl

Cars travel north towards Los Angeles on interstate highway 5 in San Diego
Cars travel north towards Los Angeles on interstate highway 5 in San DiegoREUTERS
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Unabhängig davon, wer die Wahl in den USA gewinnt: Infrastrukturfirmen werden in jedem Fall profitieren. Denn sowohl Trump als auch Clinton planen Milliardeninvestitionen.

Wien. Was bedeutet ein republikanischer Präsident Donald Trump für die Märkte, und was eine demokratische Präsidentin Hillary Clinton? Nichts Gutes, zumindest kurzfristig, wenn man einerseits der Historie und andererseits der Marktreaktion der vergangenen Wochen glaubt. So hat sich Anthony Chan von der US-Großbank JP Morgan Chase alle Wahljahre seit 1932 angesehen und errechnet, dass bei demokratischen Wahlsiegen die US-Börse in Form des S&P 500 Index im November im Durchschnitt 0,9 Prozent verliert.

Anleger mögen Wirtschaftsliberalismus, Anleger mögen Republikaner, so die Faustregel, die auch die Studie von JP Morgan Chase bestätigt. Gewann ein Republikaner die Wahl, ging es im Wahlmonat durchschnittlich steile 1,7 Prozent nach oben. So weit, so gut, doch ist der Demagoge Trump alles andere als ein Durchschnittsrepublikaner, und wenn Investoren etwas verabscheuen, ist es Unberechenbarkeit und Populismus, ganz gleich, aus welcher Partei der Kandidat kommt. Das zeigen die Kursverluste der vergangenen Woche, und eine November-Talfahrt an den Börsen ist bei einem Sieg Trumps wohl wahrscheinlicher als bei einem Triumph Clintons.

Es könnte also ein unschöner Monat werden, es sei denn, man sichert sich durch Put-Optionsscheine ab, etwa solche auf den Leitindex Dow Jones. Fallen die Kurse des Basiswertes, gewinnt die Put-Option an Wert. Wie für alle riskanten und komplexen Anlageformen gilt allerdings auch hier: nur einen überschaubaren Teil des Vermögens in die Hand nehmen und die Möglichkeit eines Totalverlustes berücksichtigen.

Hohe Investitionen geplant

Anders sieht die Perspektive für den Dezember aus. Zieht ein Demokrat ins Weiße Haus ein, legen die US-Börsen im Folgemonat der Wahl im Schnitt um zwei Prozent zu, bei einem Republikaner um 0,9 Prozent. Eine Statistik, die nicht zuletzt wegen der erwähnten Unberechenbarkeit eines Präsidenten Trump mit Vorsicht zu genießen ist, doch wird sich die (Börse-)Welt auch bei einem – ohnehin unwahrscheinlichen – Sieg des Immobilientycoons weiterdrehen und irgendwann wieder Zugewinne verzeichnen.

Eine Rallye zum Jahresabschluss ist vor allem bei Infrastrukturunternehmen gut möglich, ganz gleich, wer die Wahl gewinnt. Denn die nächste US-Präsidentin beziehungsweise der nächste US-Präsident wird Geld in die Hand nehmen, um die teils maroden Straßen und Verkehrsanbindungen der weltgrößten Volkswirtschaft auf Vordermann zu bringen.

300 Mrd. Dollar an Investitionen über einen Zeitraum von fünf Jahren hat das Abgeordnetenhaus bereits abgesegnet, wobei der Großteil in den Ausbau der Autobahnen fließen soll. Clinton will nochmals 275 Mrd. Dollar drauflegen, auch um den Breitband-Internetanschluss in vielen abgelegenen US-Regionen zu verbessern. Trump sprach von „deutlich mehr” Investitionen in Infrastruktur und „zumindest dem Doppelten“, wenn auch ohne in Details zu gehen. Es ist eine der bemerkenswerteren Ironien dieses außergewöhnlichen Wahlkampfes, dass der republikanische Kandidat die demokratische Anwärterin beim Ausgeben von Staatsgeldern zu übertreffen versucht.

Fed als politischer Spielball?

Den Maschinenherstellern, Straßenbauern und Energielieferanten soll es recht sein. Unabhängig vom Wahlausgang dürften viele von ihnen in den kommenden Monaten zulegen. „Infrastruktur ist ein Bereich, in dem sich beide Kandidaten einig sind. Anleger können jetzt beginnen, ihre Positionen zu erhöhen“, schreibt etwa Kristina Hooper von Allianz Global Investors in einer Analyse.

Privatanleger können entweder Infrastruktur-Aktienfonds kaufen, die in der Regel zumindest 60 Prozent der Mittel direkt in Infrastrukturkonzerne wie Baufirmen, Öl- und Gasunternehmen, Energielieferanten oder Abfallentsorger investieren. Oder man setzt direkt auf US-Riesen wie den Pipeline-Konzern Kinder Morgan, auch einer der Favoriten von Warren Buffetts Firma Berkshire Hathaway, die 26,5 Millionen Aktien an der texanischen Firma hält. Doch auch hier gilt: Einzelinvestments sind stets ein Risiko, man sollte nicht alles auf eine Karte setzen.

Und wenn man vom Dezember und möglichen Konsequenzen der US-Wahl auf die Märkte spricht, darf ein Blick auf die Zentralbank Federal Reserve auch nicht fehlen. Deren Chefin, Janet Yellen, ist Donald Trump ein Dorn im Auge. Wird der Republikaner Präsident, wird auch das zumindest nach außen gewahrte Mantra fallen, wonach sich die Politik aus der Geldpolitik heraushält. Zwar ist unklar, was genau Trump mit der Fed und Yellen vorhat, sein unmittelbarer Einfluss auf die weltweit wichtigsten Währungshüter ist ohnehin beschränkt. Und trotzdem: Einen bellenden Trump im Nacken der Fed unmittelbar vor einer ohnehin delikaten Zinserhöhung im Dezember ist wohl das Letzte, das die Börsen gebrauchen können.

Die Wahrscheinlichkeit einer Fed-Zinserhöhung im nächsten Monat liegt bei 80 Prozent. Das macht unter anderem US-Staatsanleihen attraktiver.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2016)

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