Das Pfund, eine riskante Versuchung

(c) APA/AFP/ISABEL INFANTES
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Die Gefahr eines weiteren Pfund-Absturzes ist nicht zu unterschätzen. Doch die britische Wirtschaft brummt - und auch die Währung könnte deshalb bald wieder zulegen.

Wien. Um rund 1,30 Euro konnte man ein Britisches Pfund eintauschen, als Großbritannien am 23. Juni des vergangenen Jahres zur Wahlurne schritt. Dann kam das Votum für den Austritt aus der Europäischen Union, und die Währung setzte zur Talfahrt an. Auch vergangene Woche ging es nach unten, auf zwischenzeitlich weniger als 1,15 Euro. Premierministerin Theresa May hatte angedeutet, wenn nötig auch dem europäischen Binnenmarkt den Rücken zu kehren.

Der Absturz des Pfunds ist ein Paradebeispiel für das Währungsrisiko, das Anleger beim Kauf von in Fremdwährungen notierten Wertpapieren eingehen. So hat der britische Leitindex FTSE 100 seit der Brexit-Abstimmung um rund 15 Prozent zugelegt. Ein Gewinn, der für in Pfund gehandelte Papiere vom Wechselkursverlust praktisch zur Gänze aufgefressen wurde. Und es könnte noch schlimmer kommen, warnt etwa Thu Lan Nguyen, Währungsexpertin bei der Commerzbank. Sie spricht von einem „hohen Risiko“ von weiteren Kursverlusten des Pfunds.

Sollen Privatanleger also die Finger von jeglichem Investment in die britische Währung lassen? Nicht unbedingt, sofern man sich des Risikos sowie der zu erwartenden Kursschwankungen in den kommenden Monaten bewusst ist. Denn bis März – dann will die Regierung das offizielle Austrittsverfahren einläuten – dürfte kaum Ruhe einkehren. Wenn es London aber gelingt, einen halbwegs geordneten Exit aus der EU zu verhandeln, und Großbritannien dabei womöglich den Zugang zu dem für die Volkswirtschaft so wichtigen Binnenmarkt nicht völlig verliert, dann steht einer Aufwertung des Pfunds nicht viel im Wege.

Abwanderung steht gegen Investition

Denn die nach Deutschland zweitgrößte europäische Volkswirtschaft steht fundamental so gut da wie schon lang nicht. Sie wuchs im Vorjahr stärker als jene der Eurozone, und auch die neuesten Zahlen deuten auf ein solides Fundament hin: Der oftmals richtungsweisende Einkaufsmanagerindex der Industrie stieg auf den höchsten Stand seit Juni 2014, und die Verkaufszahlen im Einzelhandel legten deutlich zu.

Selbst wenn die Regierungschefs der EU stets betonen, man werde sich London nicht beugen, und auch wenn sie gern andeuten, dass die britische Wirtschaft den Ausstieg aus der europäischen Gemeinschaft bereuen werde: Tatsächlich hofft kaum jemand auf eine Rezession des wichtigen Handelspartners. Dass Großbritannien nach Einläuten des Brexit nicht in irgendeiner Form weiterhin einen privilegierten Zugang zum europäischen Markt behalten wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, wiederholte vergangene Woche, dass der volle Binnenmarktzugang an die Freizügigkeit des Personenverkehrs gebunden sei – ein Punkt, den May bereits abgelehnt hat. Doch einen sogenannten soft Brexit, bei dem sich Großbritannien nicht in voller Höhe den Zöllen der EU unterwerfen müsste, schließt selbst Merkel nicht aus.

Und auch wenn mehrere Großbanken sowie internationale Organisationen über die Verlegung ihrer Firmensitze weg aus London nachdenken, gibt es mehrere gegenteilige Beispiele von Unternehmen, die nach wie vor auf die Finanzmetropole setzen und ihre Präsenz ausbauen. So ließ der Nachrichtendienst Snapchat verlauten, seine internationale Zentrale nach London zu verlegen. Und auch Google und Facebook haben angekündigt, künftig mehr Geld in England zu investieren.

Klar ist, dass die nächsten Wochen turbulent für das Britische Pfund werden und zwischenzeitliche Kursverluste keineswegs ausgeschlossen sind. „Es gibt keine Klarheit, was der Brexit eigentlich bedeutet“, erklärt etwa Lefteris Farmakis von der Großbank UBS. Doch für langfristig orientierte Anleger, die auch gern mal gegen den Strom schwimmen und die an ein weiterhin überdurchschnittliches Wachstum der britischen Wirtschaft glauben, könnte jetzt ein guter Zeitpunkt gekommen sein, um das Pfund günstig zu kaufen. Sofern man sich bewusst ist, dass es unter Umständen auch herbe Verluste setzen könnte, und man deshalb nur einen kleinen Teil des Vermögens investiert. Das Pfund, eine riskante Versuchung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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