Wiener ATX klettert auf Stand von 2011

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Jahrelang hinkte der österreichische Leitindex hinterher. Doch ins neue Jahr startete er besser als andere europäische Börsen. Die starke Banken- und Industrielastigkeit wirkt sich für das heimische Börsenbarometer positiv aus.

Wien. Nach den jüngsten Kursanstiegen an den weltweiten Börsen taucht zunehmend die bange Frage auf, wann die Party zu Ende sein wird und die Märkte wieder in einen Bärenmarkt stürzen. Von einem solchen spricht man, wenn die Kurse um mehr als 20 Prozent nachgeben. In den USA ist das zuletzt während der Finanzkrise passiert, und die liegt auch schon wieder fast neun Jahre zurück.

Für ATX-Anleger gehören Bärenmärkte hingegen zum Alltag. Nicht nur während der Finanzkrise stürzte der Wiener Leitindex um 71 Prozent ab. Danach passierte es drei Mal, dass das heimische Börsenbarometer von einem Zwischenhoch um mehr als ein Fünftel korrigierte: Zwischen Februar und November 2011 rissen die Sorgen um Griechenland und die Eurozone den Index um 45 Prozent in die Tiefe.

China-Angst zog Wien runter

Zwischen Jänner und Oktober 2014 ging es infolge der Russlandkrise und des Ölpreisverfalls um ein Viertel nach unten. Zwischen Mai 2015 und Februar 2016 bewirkten die Angst vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft und ein weiterer Verfall des Ölpreises, dass der ATX fast ein Drittel verlor.

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Die Gründe, warum es ausgerechnet den ATX so schwer erwischte, sind vielfältig: Im ATX sind Banken-, Rohstoff- und Industriekonzerne stark gewichtet, allesamt Branchen, von denen Anleger in konjunkturell unsicheren Zeiten eher die Finger lassen. In solchen Phasen verkaufen sich Konsumgüterhersteller, Pharmakonzerne und IT-Firmen gut. Und solche sind an der Wiener Börse gar nicht vertreten. Auch wurde die Wiener Börse wegen des starken Osteuropa-Geschäfts vieler Unternehmen von ausländischen Investoren nicht selten als Schwellenländer-Börse wahrgenommen. In unsicheren Zeiten ziehen Anleger große, etablierte Industrieländer-Börsen wie New York oder Frankfurt vor. Einigen Firmen (Immofinanz, Raiffeisen) setzte in den vergangenen Jahren die Russlandkrise schwer zu.

Doch nun scheint das Schlimmste vorbei zu sein. Seit einem Jahr geht es fast ununterbrochen nach oben, in der Vorwoche übersprang der ATX erstmals seit 2011 die Marke von 2800 Punkten. Von seinem Allzeithoch bei über 5000 Zählern ist der Index zwar noch meilenweit entfernt, doch der Start ins Jahr verlief vielversprechend.

Während der DAX und der europäische Eurostoxx 50 sich knapp über der Nulllinie halten, hat der ATX bis dato um sieben Prozent zugelegt. Bestperformer seit Jahresbeginn ist der Viskosefaserhersteller Lenzing, gefolgt von der Raiffeisen Bank International, mit einem Wert, der im Zehnjahresvergleich noch am schlechtesten abschneidet (siehe Grafik).

Die hohe Bankenlastigkeit des ATX, die jahrelang den Anstieg gebremst hatte, wirkt sich nun positiv aus: Europas Bankwerte haben von einem sehr tiefen Niveau zu einer Erholung angesetzt, und das bekommen auch die heimischen Werte zu spüren.

Für Konjunktur sieht es gut aus

Zudem stehen die Zeichen weltweit auf Konjunkturaufschwung. Zugpferd sind die USA, wo sich das Wirtschaftswachstum heuer auf 2,4 Prozent beschleunigen soll (im Vorjahr waren es 1,6 Prozent). Doch auch in der Eurozone soll es nach Schätzungen von Raiffeisen Research um 1,5 Prozent nach oben gehen.

Der Ölpreis hat sich seit einem Jahr fast verdoppelt, die Preise für andere Rohstoffe befinden sich ebenfalls im Steigen. Die Anleger sehen sich nun wieder nach Industriewerten, Energie- und Rohstoffaktien um. Seit einem Jahr haben etwa die Ölwerte OMV und Schoeller-Bleckmann um jeweils mehr als 40 Prozent zugelegt, der Feuerfestprodukte-Hersteller RHI schaffte ein Plus von 57 Prozent, der Stahlkonzern Voestalpine stieg um 53 Prozent.

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Eine Gefahr für die Aktienmärkte sehen Analysten derzeit weniger in China als in den USA: Wenn der neue Präsident, Donald Trump, seine protektionistischen Ankündigungen in vollem Ausmaß durchzieht, würde das zwar weltweit die Aktienmärkte durchrütteln, der ATX könnte aber diesmal glimpflicher davonkommen als andere Börsen.

Zum einen sind die Unternehmen weniger mit den USA verquickt als die großen DAX-Konzerne, zum anderen sind Aktien an der Wiener Börse billig und der Korrekturbedarf daher geringer. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt (auf Basis der geschätzten Gewinne für heuer) bei 11,9, wie Daten von Raiffeisen Research zeigen. Das bedeutet, dass man beim Kauf von ATX-Aktien nicht einmal das Zwölffache des Jahresgewinns hinlegen muss. Für Werte aus dem Eurostoxx 50 zahlt man das 14-Fache, für DAX-Firmen fast ebenso viel. Wer amerikanische Aktien erwerben will, muss gar das 18-Fache des erwarteten Gewinns bezahlen. Da ist viel positive Erwartung eingepreist: Sollten unerwartet Gewitterwolken über der Konjunktur aufziehen, würde es die teuren Titel wohl stärker treffen.

Auch das Gewinnwachstum fiel bei den ATX-Firmen mit 11,7 Prozent stärker aus als bei anderen europäischen oder amerikanischen Firmen. Für heuer wird abermals ein 20,4-prozentiges Plus erwartet, auch das ist mehr als anderswo.

USA könnten ATX mitreißen

Die Dividendenrendite von drei Prozent kann sich ebenfalls sehen lassen (obwohl diese im Eurostoxx 50 mit 3,6 Prozent noch höher ist). Teuer sind heimische Aktien jedenfalls längst nicht.

Risikofrei ist ein Aktieninvestment aber auch in Wien nicht: Wenn in den USA eine scharfe Korrektur einsetzt, wird es wohl auch den ATX wieder nach unten reißen. Aber mit solchen Korrekturen haben ATX-Anleger zu leben gelernt, und die Fallhöhe ist nicht groß wie vor zehn Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2017)

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