Kurzfristig wird sich der Wert des Euro nur schwer erholen. Langfristig können vor allem Kreditnehmer auf eine „Eurozone der starken Länder“ hoffen.
Wien/Ag./Red./Ker. Wer auf einen starken Euro setzt, wird derzeit enttäuscht. Etwa Urlauber, die ihr Geld in fremde Währungen tauschen müssen. Oder Anleger, die in ausländische Wertpapiere investieren wollen und auf der Währungsseite auf einen guten Einstiegszeitpunkt hoffen. Oder Kreditnehmer, die in fremden Währungen verschuldet sind. Letztere hoffen, dass ein starker Euro ihre (Buch-)Kreditschulden, die in den vergangenen vier Jahren stark angewachsen sind, reduziert.
In Dollar gerechnet hat der Euro seit Ende Februar stark verloren. Heute kostet ein Euro nur mehr 1,25 Dollar. Das ist in der Geschichte der Gemeinschaftswährung ganz und gar nicht ungewöhnlich. Aber seit Februar immerhin bedeutet das immerhin einen Abstieg um fast sieben Prozent. Die Zeichen stehen derzeit nicht gut, dass der Euro in den nächsten Wochen entscheidend an Stärke gewinnt.
Märkte rechnen mit Rückgang
Zumindest liefern die Finanzspekulanten keine entsprechenden Signale. Das lässt sich aus den aktuellen Daten der Terminbörse in Chicago ablesen. Dort spekulieren Investoren auf den zukünftigen Verlauf von Wertpapieren oder Währungen oder sichern sich gegen Kursschwankungen ab. Wenn man die Kontrakte auf einen steigenden Euro mit jenen auf einen fallenden Euro gegenrechnet, ergibt sich ein Minus. Soll heißen, dass die „Europessimisten“ in der Überzahl sind.
Getrieben werden diese Eurospekulationen aber weniger von wirtschaftlichen als vielmehr von politischen Aspekten. Dass die Schuldenkrise in Europa nachhaltig gelöst wird, sei derzeit noch nicht absehbar, begründen viele Investoren. Die neuerlichen Sorgen um Zypern, aber vor allem um Spanien, würden die Anleger nicht optimistischer stimmen.
Euro der starken Länder?
Langfristig kann es schon wieder ganz anders aussehen. Das wird hierzulande die vielen privaten Kreditnehmer interessieren, die noch im Schweizer Franken oder japanischen Yen verschuldet sind. Wenn man die zahlreichen Analysen von Ökonomen und Strategen liest, tun sich langfristig zwei grundverschiedene Szenarien auf:
Die Politik versucht mit aller Kraft, die Eurozone in ihrer bestehenden Form zu halten und pumpt Milliarden an Hilfsgeldern in marode Schuldenstaaten, um diese irgendwie zu sanieren.
Oder: Die Eurozone zerfällt, es gibt mittelfristig auf den Finanzmärkten große Aufregung, die Banken müssen massiv unterstützt werden. Schlussendlich bleibt aber ein Euro der „starken Länder“ bestehen. Letzteres würde die Inhaber von Fremdwährungskrediten wohl freuen, jedenfalls dann, wenn Österreich im Zirkel der „starken Länder“ ist, wonach es derzeit aussieht. Zumindest in der Theorie ist die Aussicht gut, dass deren Währung gegenüber dem Franken und Yen aufwertet. Das wäre Balsam auf den Wunden der Kreditnehmer.
Buchverluste für Kreditnehmer
Denn derzeit müssen sich die meisten mit hohen Kursverlusten herumschlagen.
•Beispiel Franken: Wer sich Anfang 2000 im Franken zum Gegenwert von 100.000 Euro verschuldet hat, steht heute mit einem (Buch-)Verlust von rund 16.000 Euro da (Zinsersparnis schon berücksichtigt). Derzeit scheint der Euro bei einem Preis von 1,2 Franken festgefahren. Würde der Euro lediglich auf 1,35 Franken in den nächsten Monaten oder Jahren steigen, läge der Verlust bei nur rund 2000 Euro (künftige Zinsersparnisse im Franken nicht berücksichtigt, die aber aktuell ohnehin nicht sonderlich groß sind).
•Beispiel Yen: Dort schaut es wesentlich besser aus für jene Schuldner, die ihren Kredit Anfang 2000 aufgenommen haben. Die freuen sich inklusive Zinsersparnis über ein Plus von rund 25.000 Euro (gegenüber einem Eurokredit). Wenn sich der Eurokurs von derzeit 99 auf etwa 105 Yen erhöht (was zuletzt im Mai der Fall war), dann läge das Plus für die Yen-Kreditnehmer bei über 32.000 Euro. Ein gutes Geschäft. [istockphoto.com]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2012)