Sicherer Hafen, zweistelliges Minus

Sicherer Hafen, zweistelliges Minus
Sicherer Hafen, zweistelliges Minus(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
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Wer auf den deutschen Staat setzt, bezahlt dafür teuer. Mit einer zehnjährigen Bundesanleihe erleidet man nach Abzug der Inflation einen zweistelligen Verlust.

Wien/Ker. Sie gelten als Bollwerk in unsicheren Zeiten. Und sie sind in den vergangenen Jahren und Monaten weggegangen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln: Staatsanleihen von „sicheren“ Ländern.

Dazu zählen etwa jene Länder in der Eurozone, die zwar ebenfalls hoch verschuldet sind, aber im Vergleich zu anderen Währungsmitgliedern wirtschaftlich deutlich besser dastehen. Etwa Deutschland, Österreich oder Finnland. Deren Schuldpapiere versprechen mehr Sicherheit in unruhigen Phasen als die meisten anderen Anlageformen. Was auf den ersten Blick aber nicht sichtbar ist: Private Kleinanleger müssen für diese Sicherheit mittlerweile enorme Nettoverluste in Kauf nehmen.

Etwa bei deutschen Bundesanleihen. Sie sind die Festung unter Europas Anleihen. Was bekommt der Anleger dafür? Oder besser: Was muss er dafür hinblättern?

• Eine Bundesanleihe, die noch fast vier Jahre läuft, wirft einen jährlichen Zins von vier Prozent ab (ISIN: DE0001135309). Klingt nicht schlecht. Aber dafür muss man aktuell rund 114 Prozent des Nennwerts bezahlen. Alles, was über 100 Prozent hinausgeht, mindert die Rendite. Ein Szenario: Der Anleger zahlt 3000 Euro ein und hält die Anleihen bis zum Schluss. Zieht man Transaktionskosten, Depotgebühren und die Steuer ab, bleibt weniger als nichts übrig: Man macht einen jährlichen Verlust von knapp 1,4 Prozent. Nominell. Wenn man dann noch eine jährliche Inflation von zwei Prozent gegenrechnet, erweitert sich das Minus deutlich. In fast vier Jahren macht der Anleger einen Verlust von 13 Prozent. Oder jährlich mehr als drei Prozent. Der Anleger könnte einem Verlust nur entgehen, wenn er die Anleihe während der Laufzeit mit einem deutlichen Kursgewinn wieder verkauft.


• Wie schaut es nun mit der viel zitierten zehnjährigen Bundesanleihe aus (ISIN: DE0001135499)? Diese wirft nur 1,5 Prozent jährlich ab. Dafür ist sie relativ billig zu haben, fast um den Nominalwert. Nach Abzug von Kosten, Steuern sowie Inflation steht nach rund zehn Jahren trotz allem ein realer Verlust von fast 16 Prozent zu Buche. Soll heißen, jedes Jahr verliert das investierte Geld real um mehr als 1,5 Prozent an Wert.

• Mit einer österreichischen Staatsanleihe steigt man nicht viel besser aus. Etwa mit jener, die noch fast vier Jahre läuft (AT0000A011T9). Sie bringt jährlich eine Zinszahlung von vier Prozent ein. Wenn man den erhöhten Einkaufspreis berücksichtigt und alle Kosten und Steuern abzieht, ergibt das ein Minus. Und zwar von knapp 1,3 Prozent jährlich. Nach Inflation macht der Realverlust deutlich mehr als drei Prozent jährlich aus. Oder mit anderen Worten: Nach vier Jahren summiert sich das reale Minus auf zwölf Prozent.


• Und eine zehnjährige österreichische Staatsanleihe (AT0000A0N9A0)? Damit macht man ein reales Minus von 15 Prozent in knapp neuneinhalb Jahren (so lange läuft die Anleihe noch). Minus 15 Prozent – so viel kostet den Anleger aktuell die Sicherheit des Staates Österreich.


• Auch Finnland gilt unter Investoren als stabiler Staat. Daher gibt es auch hier nicht viel zu verdienen, die Anleiherenditen sind äußerst gering. Ein Beispiel: Eine Finnland-Anleihe mit einer Restlaufzeit von 3,5 Jahren (FI4000018049) hat einen Kupon von 1,75 Prozent jährlich. Auch für diese Anleihe zahlt man mehr, als man später zurückbekommt (aktueller Briefkurs, oder Kaufkurs: rund 105 Prozent).

Zieht man wiederum die Kosten und Steuer ab, erleidet man jährlich ein Minus von 0,8 Prozent. Bei einer Inflation von zwei Prozent pro Jahr liegt der Verlust nach den fast vier Jahren bei über zehn Prozent. [i-Stockphoto]

Was Sie beachten sollten bei... Staatsanleihen

Tipp 1

Sicherheit kostet. Deutsche Bundesanleihen gelten als die sichersten Anleihen in Europa. Das hat jedoch zur Folge, dass sie schon sehr teuer sind. Ein Beispiel: Man kauft heute Bundesanleihen im Nominalwert von 3000 Euro und einer Restlaufzeit von knapp zehn Jahren. Der Anleger behält die Anleihe bis zum Schluss. Nach Kosten, Steuer und Inflation erleidet er einen realen Nettoverlust von 16 Prozent.

Tipp 2

Österreich. Bei österreichischen Staatsanleihen sind die Renditen etwas besser, vor Verlusten schützen sie auch nicht. Bei einer zehnjährigen Staatsanleihe macht der reale Verlust bei Fälligkeit rund 15 Prozent aus (abermals nach Kosten und Steuer sowie unter Berücksichtigung der Inflation). Mit einer Österreich-Anleihe, die noch fast vier Jahre läuft, steht zum Schluss ein Minus von knapp zwölf Prozent zu Buche.

Tipp 3

Kursgewinne. Will der Anleger einen realen Verlust vermeiden, kann er in der Zwischenzeit hoffen, dass der Kurs dieser Staatsanleihen stark ansteigt. Das ist eine gewagte Spekulation. Vor allem bei den aktuell niedrigen Marktzinsen. Steigt nämlich das Zinsniveau wieder an, verlieren Festzinsanleihen im Normalfall an Wert. Fazit: Privatanleger sollten nur dann Staatsanleihen kaufen, wenn sie an weiter sinkende Zinsen glauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)

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