Unternehmensanleihen: "Buy & Hold" war gestern

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Österreichische Unternehmensanleihen. Sie gehören ins Portfolio, sagen Experten. Erträge über der Inflation zu erzielen wird aber schwieriger.

Heimische Corporate Bonds boomen: Bis 4.Dezember wurden an der Wiener Börse 26 Unternehmensanleihen mit einem Volumen von 4,4 Mrd. Euro emittiert.

Insgesamt wurden 2011 und 2012 in Österreich 6,1 Mrd. Euro an Non-Financial Retail-Anleihen aufgelegt. Besonders jene mit Mindeststückelungen bis zu 1000 Euro sind für Privatanleger interessant. Das Risiko hält sich in Grenzen; laut Alexander Fleischer, Chef des Anleihenfondsmanagements bei der Erste Sparinvest, beträgt die Ausfallsrate aktuell drei Prozent.

Das freut die emittierenden Unternehmen – sie können sich immer kostengünstiger finanzieren. Für Investoren wird die Auswahl jedoch schwieriger. Im aktuellen Marktumfeld decken Unternehmensanleihen renommierter Unternehmen nicht einmal mehr die zu erwartende Inflation ab. „So lange so viel Liquidität im Markt bleibt – wovon wir auch im nächsten Jahr ausgehen – , sehen wir die Möglichkeit für höhere Risikoaufschläge als relativ gering an“, erklärt Raiffeisen-Research-Analyst Manuel Schreiber. Wer mehr als drei Prozent erzielen möchte, muss mittlerweile eine Bonitätseinstufung von BBB oder schlechter akzeptieren. Nächstes Jahr dürfte die Performance noch bescheidener werden. Zwar lässt sich der Ertrag steigern, indem man Anleihen nicht bis zum Laufzeitende hält, sondern am Handel teilnimmt; der Markt sei aber schon sehr teuer und werde das auch bleiben, so Schreiber.

„Grundbaustein fürs Portfolio“

Trotzdem kommen heimische Anleger kaum ohne diese Assetklasse aus. „Österreichische Unternehmensanleihen sind ein wichtiger Grundbaustein für jedes gut diversifizierte Rentenportfolio“, so Wolfgang Traindl, Leiter Private Banking & Asset Management der Erste Bank. Denn erstens haben Staatsanleihen den Nimbus des „risikofreien Investments“ verloren, und zweitens suchen viele Anleger nach Veranlagungsmöglichkeiten mit Renditeaufschlägen gegenüber AAA-Anleihen. Unternehmensanleihen bieten diese, wenn auch nur mehr in bescheidenem Ausmaß. Grundsätzlich gilt: Je höher der Rentenanteil im Portfolio, desto größer ist im Normalfall der Anteil von Corporate Bonds mit Investment-Grade-(IG)-Rating. „Auf Basis unserer aktuellen Einschätzungen auf Zwölfmonatsfrist empfehlen wir sicherheitsorientierten Private-Banking-Kunden, einen Anteil von 50 Prozent in Unternehmensanleihen mit IG-Rating zu investieren“, so Traindl.

Vom Timing her sei es sinnvoll, schrittweise in den Markt zu gehen, ergänzt Michael Baumgarth, Bereichsleiter Veranlagung der Volksbank Wien. Bei den Restlaufzeiten rät er aufgrund des Zinsrisikos zum mittelfristigen Bereich bis maximal fünf Jahre.

Ein Paradebeispiel für die trotz allem bestehenden Risiken der Assetklasse ist die im Mai ohne Rating emittierte Sechs-Prozent-Anleihe 2017 der Alpine. Im Oktober sorgte ein KPMG-Bericht, wonach der Alpine in einem Worst-Case-Szenario 300 bis 400 Mio. Euro an Wertberichtigungsbedarf drohe, für Panik bei den Anlegern.

Alpine: Situation unklar

Klarheit über die tatsächliche Situation werde erst bei der Veröffentlichung der Jahreskennzahlen und der Präsentation des Restrukturierungskonzeptes im ersten Quartal 2013 herrschen, bis dahin sei keine zuverlässige Einschätzung des Ausfallsrisikos möglich, meint Bausektor-Analyst Igor Kovacic von Raiffeisen Research. Dort errechnete man – allerdings auf Basis der Zahlen aus dem Jahresabschluss 2011, die keine signifikanten Wertberichtigungen enthalten – eine Einschätzung von B+, derzeit notiert die Anleihe jedoch zu einem indikativen Preis von etwas über 60 Prozent des Nominale, also wie ein CCC+-Emittent. Kovacic rät Anlegern, das Papier zu verkaufen; Christian Ohswald, Leiter Raiffeisen Private Banking Wien, rechnet angesichts der schwachen Konjunktur generell mit Schwierigkeiten bei Corporate Bonds aus der Bauwirtschaft, wie auch bei Financials. „Vor allem Branchenmitglieder mit hohem Verschuldungsgrad werden verstärkt unter Druck geraten“, warnt er.

Zu den Anleihen mit dem besten Risiko-Ertragsverhältnis zählt Raiffeisen Research die 2017 fällige Anleihe von Constantia Flexibles. Ebenfalls auf der Empfehlungsliste: die AT&S-Anleihe 2016. Auch die 4,25-Prozent-Anleihe der Strabag mit Endfälligkeit 2015 sei attraktiv gepreist. „Für Unternehmen mit einer soliden Bilanzstruktur und wenig zyklischem Geschäftsmodell, wie etwa Andritz, OMV, sehen wir das derzeitige Risiko-Ertragsverhältnis als gut an“, so Ohswald. Wichtig sei es aber, auf die kommenden Unternehmensergebnisse zu achten und das Portfolio bei Bedarf kurzfristig anzupassen: „In diesem Bereich sehen wir kein Buy & Hold.“

Gepreistes Rating

Eine Hilfe für Anleger bei der Bewertung der Attraktivität von Anleihen können sogenannte „gepreiste“, also marktimplizite, Ratings sein. Dabei wird aus den Risikoprämien für einzelne Anleihen darauf geschlossen, wie der Markt den jeweiligen Emittenten beurteilt. Diese Einschätzung kann aber auch bei verschieden ausgestatteten Anleihen desselben Emittenten unterschiedlich ausfallen. Schreiber nennt als Beispiel die OMV: „Für die 2,625-Prozent-Anleihe 2022 ergibt sich ein marktimplizites A-Rating, für die 3,5-Prozent-Anleihe 2027 BBB+.“ Womit deutlich werde, dass Erstere in der Investorengunst höher steht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2012)

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