Anleihen: "Wir müssen komplett umdenken"

Winship muessen komplett umdenken
Winship muessen komplett umdenken(c) Fabry
  • Drucken

Die Strategie, eine Anleihe zu kaufen und sie im Depot liegen zu lassen, funktioniert nicht mehr, sagt Blackrock-Manager Ian Winship.

Wien. In den Neunzigerjahren war es noch einfach, in Anleihen zu investieren. Die Zinsen für deutsche Staatspapiere lagen zeitweise bei über sieben Prozent, und die Kurse haben seither fast nur angezogen. Alles, was Investoren tun mussten, war zu kaufen – Angst vor Kursverlusten brauchten sie nicht unbedingt zu haben. Das ist heute anders. Mittlerweile liegen die Zinsen bei unter zwei Prozent, und jeder fragt sich, wie es weitergehen soll. Können die Zinsen noch tiefer fallen? Oder platzt die Anleihenblase, fallen die Kurse und steigen die Zinsen?

„Es gibt Anleihenhändler, die noch nie ein Papier verkauft haben“, sagt Ian Winship, Portfoliomanager beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, im Gespräch mit der „Presse“. Er ist seit 1989 im Geschäft, hat also genau mitbekommen, wie sich der Markt seither entwickelt hat. Nun findet er, es sei Zeit zum Umdenken: „Ein Papier zu kaufen und es einfach im Depot liegen zu lassen – das funktioniert nicht mehr.“ Diese althergebrachte Strategie sei, wie den Golfplatz mit nur einem Schläger aufzusuchen.

Schock für Alpine-Gläubiger

Die Risiken von Anleihen wurden österreichischen Investoren vergangenes Jahr schmerzhaft bewusst. Das Papier des Bauunternehmens Alpine verlor im Herbst fast 40Prozent an Wert, als finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens zutage traten. Investoren haben folglich eine schwierige Wahl: Entweder sie stoßen die Papiere ab und nehmen Verluste in Kauf oder sie drücken bis 2017 die Daumen, dass die Alpine nicht pleitegeht. Dann wird die Anleihe nämlich zurückgezahlt.

Doch nicht nur wird es schwieriger, in Anleihen zu investieren – es wird auch schwieriger, Prognosen zu erstellen, weil Kurse stärker schwanken werden, meint Winship. Wieso sollte man dann überhaupt in fix verzinste Wertpapiere investieren und nicht gleich Aktien kaufen, die überall als Schnäppchen angepriesen werden?

Risikostreuung hilft

„Seit ich denken kann, werden Aktien zu Jahresbeginn als Kaufgelegenheit beworben. Die Leute brauchen aber Diversifikation“, sagt der Brite Winship. Diversifikation bedeutet, sein Geld auf verschiedene Anlageklassen zu streuen – also Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe et cetera. Doch auch innerhalb dieser Anlageklassen sollten Anleger ihr Kapital gut verteilen.

„Wir kaufen Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, solche von Industrieländern, von Schwellenländern, und das Ganze in verschiedenen Währungen“, sagt der Blackrock-Manager. „Man sollte nie alle Eier in einen Korb legen.“ Generell gehe es auch nicht mehr darum, Geld zu verteilen, sondern Risiko – um dieses so gering wie möglich zu halten.

Was tut man bei Blackrock nun genau, um noch Geld mit Anleihen zu verdienen? Sie handeln mit ihnen. Zum Beispiel mit zweijährigen deutschen Bundesanleihen, die aktuell rund 0,2 Prozent abwerfen, also einen lächerlichen Betrag. Allerdings gab es auch schon Zeiten, in denen diese Papiere negativ verzinst waren. Und da Winship erwartet, dass sichere Anleihen wie die von Deutschland oder Österreich „in einer sehr engen Bandbreite notieren werden“, sei das Niveau von 0,2Prozent schon als hoch zu betrachten. Das bedeutet, dass die Kurse gerade vergleichsweise niedrig und Kursgewinne möglich sind. Für Privatanleger empfiehlt sich diese Strategie aber nur, wenn sie viel Zeit in ihre Geldanlage stecken können.

Zinsen bleiben lange niedrig

Freilich ist die Geschichte von der immer komplizierteren Welt eine, die gerne von Fondsmanagern erzählt wird, um ihre Dienste (und hohen Gebühren) zu rechtfertigen. Sie spiegelt aber auch einen Teil der Realität wider. Ein Ende der niedrigen Zinsen ist nämlich nicht absehbar und die Frage, wie es mit den Anleihen weitergeht, berechtigt. Auf sichere Titel zu setzen und damit gehörige Kaufkraftverluste zu akzeptieren, ist jedenfalls keine Alternative. Selbst die meisten heimischen Unternehmensanleihen sind mittlerweile schon so teuer, dass nach Abzug aller Kosten und Steuern nicht mehr viel übrig bleibt.

Winship behauptet, mit seiner aktiven Strategie des Diversifizierens und des Handelns von Anleihen heuer eine Rendite von fünf bis sieben Prozent erzielen zu können. Beweisen muss er sich aber erst noch: Der Anleihenfonds, den er für Blackrock verwaltet, ist erst wenige Monate alt.

Zur Person

Ian Winship ist Fondsmanager beim Vermögensverwalter Blackrock. Er verfügt über mehr als 20-jährige Erfahrung in der Verwaltung von Rentenmarktpapieren. Winship studierte Wirtschaft und Marketing und stieß 2010 zum US-Finanzunternehmen.

Blackrock ist der weltgrößte Vermögensverwalter mit Sitz in New York. Die Firma wurde 1988 als Blackstone Financial Management gegründet und 1992 umbenannt. Das Unternehmen verwaltet 3,79 Billionen US-Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2013)

Mehr erfahren

Banken werden wieder Lieblingen
New Articles

Banken werden wieder zu Lieblingen der Investoren

Seit der Finanzkrise waren in erster Linie Schuldverschreibungen von Industriekonzernen gefragt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.