Aktien oder Anleihen? Suche nach dem geringsten Risiko

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Aktien oder Anleihen Suche(c) dapd (Mario Vedder)
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Anleger haben die Qual der Wahl: Sie müssen entscheiden, ob sie lieber fallende Aktienkurse oder steigende Zinsen und fallende Anleihenkurse riskieren. Viele Experten halten Letzteres für gefährlicher.

Wien. Die risikolose Geldanlage gibt es nicht. Wer Schwankungen und nominelle Verluste um jeden Preis vermeiden will, kann sein Geld zwar auf ein Sparbuch legen. Doch gibt es dort negative Realzinsen: Der Anleger muss zuschauen, wie die Inflation sein Vermögen sukzessive anknabbert.

Hieß es früher, dass Investoren die Wahl hätten, gut zu essen (dann sollten sie zu Aktien greifen) oder gut zu schlafen (dann wären Anleihen die bessere Wahl), so schlafen Anleiheninhaber längst nicht mehr so ruhig. Wie ein Damoklesschwert hängt das Zinsänderungsrisiko über ihrem Investment: Steigen die Zinsen für neue Anleihen (was angesichts der rekordniedrigen Zinsen in den nächsten Jahren nicht unwahrscheinlich ist), fallen die Kurse der bestehenden Papiere. Der Anleger hat dann die Wahl, mit Verlust auszusteigen oder auf das Ende der Laufzeit zu warten. Und sich möglicherweise jahrelang mit mageren Zinsen zu begnügen, während es auf dem Markt längst schon höhere gibt.

Bleiben Aktien. Die sind im Vergleich zu Anleihen billig, schwanken aber stark, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Fazit: Die Anleger müssen sich zwischen negativen Realzinsen, der Gefahr steigender Zinsen und dem Risiko fallender Aktienkurse entscheiden.

Bewertungen attraktiver als 1999

Professionelle Vermögensverwalter tendieren zu Letzterem. „Wir halten das Risiko schwacher Aktienmärkte derzeit für geringer als das Zinsänderungsrisiko auf dem Anleihenmarkt“, meint Alex Borer, Head Asset Allocation Strategies der LGT Capital Management. Der Vermögensverwalter der liechtensteinischen Fürstenfamilie hat zur Zeit Aktien übergewichtet. Dass der Aktienmarkt bereits überbewertet ist, glaubt Borer nicht: „Insgesamt sind die Aktienmärkte seit 1999 kaum vom Fleck gekommen, die Bewertungen sind jetzt attraktiver als damals.“ Denn im Gegensatz zu den Kursen hätten sich die Unternehmensgewinne schon bewegt.

Nun ist ein Gutteil der jüngsten Rallye auf die expansive Geldpolitik der Notenbanken zurückzuführen. Diese ist aber, so Borer, nicht der einzige Grund für die Aufwärtsentwicklung, die jetzt durch die Zypern-Krise unterbrochen wurde. „Es gab auch realwirtschaftliche Verbesserungen, die Unternehmen sind robust aufgestellt.“ In Aktien zu investieren, bringe zudem gerade dann mehr, wenn die Unsicherheit noch hoch sei. „Bei drei Prozent Wirtschaftswachstum zahlt es sich wahrscheinlich nicht mehr so sehr aus.“

Der Vermögensverwalter arbeitet mit einer Szenario-Analyse: Makroökonomische Szenarien für fünf Jahre werden entwickelt und ein Portfolio erstellt, das möglichst vielen Szenarien standhalten sollte. Aktien waren sogar 2008 ein Thema, im Dezember habe man zugekauft, um die durch Kursverluste gesunkenen Aktienquoten auszugleichen. Das sei aufgegangen: „2008 haben wir verloren, 2009 bis 2011 wieder aufgeholt.“

Auch die Schoellerbank rät zu Aktien – wenn man mit den Schwankungen leben kann. Robert Karas, Leiter Asset Management, verweist in einem Analysebrief darauf, dass selbst ein hochsolides Unternehmen wie Berkshire Hathaway, die Firma von Starinvestor Warren Buffett, während der Finanzkrise die Hälfte seines Kurswerts eingebüßt hat. Heute ist die Aktie teuer wie nie zuvor.

Mit Einstieg nicht zu lange warten

Anlegern, die vor einem Markteinstieg die Korrektur abwarten wollen, rät er, nicht zu lange zu warten: „Wer weiß, wann die Korrektur kommt, wie tief sie wird, wie lange sie dauern wird und ob man überhaupt in der Lage sein wird, davon zu profitieren.“

Eine langfristige Kapitalbindung bei Rentenpapieren (auf sieben oder zehn Jahre) habe derzeit jedenfalls wenig Sinn. Eine Ansicht, die auch Martin Bohn, bei der Bawag PSK Invest für Anleihen zuständig, teilt. Er rät selbst Anleiheinvestoren, Aktien beizumischen. Bei Anleihen soll man zu solchen mit niedrigen Laufzeiten greifen– die Zinsen würden sich noch eine Weile seitwärts entwickeln. Bei kurzen Laufzeiten ist allerdings meist auch die Rendite entsprechend niedrig. Um diese aufzufetten, soll man lieber Kreditrisken eingehen (also höher verzinste Papiere von Schuldnern schlechter Bonität beimischen) als Zinsrisken (mit lang laufenden Anleihen), meint Bohn. Seine Kollegin Erika Karitnig, für Aktien zuständig, sieht die Aktienmärkte noch immer in der Angstphase. „Auf Angst folgt normalerweise Gier – aber diese Phase kommt erst.“ Die Unternehmensgewinne in Relation zu den Kursen seien im Vergleich zu früheren Börsenbooms hoch, was neue Rekordstände rechtfertige.

Doch woran liegt es, dass trotz allem immer noch Anleihen den Nimbus des sicheren Investments haben und nur Aktien als riskant gelten? „Der Mensch ist träge, trotz Information“, sagt Borer. Das Umdenken erfolge langsam, aber: „Aktienfonds verzeichnen jetzt global erstmals wieder Zuflüsse.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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