"Bei Anleihen ist vieles schon gelaufen"

Verwaltunggebaeude der europ. Zentralbank in Frankfurt/Main
Verwaltunggebaeude der europ. Zentralbank in Frankfurt/Main (c) www.BilderBox.com
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Mit Anleihen von Schuldenstaaten streifte man zuletzt Kursgewinne ein. Für welche Länder er attraktive Risikoprämien sehe, sagt Finanzwissenschaftler Engelbert Dockner.

Die Presse: Vor der Finanzkrise waren Eurostaatsanleihen eine sichere Anlageklasse, die noch dazu eine attraktive Rendite brachte. Wofür stehen sie heute?

Engelbert Dockner:Eurostaatsanleihen sind noch immer wichtige Investments. Geändert hat sich aber die Risiko- und Renditestruktur. Auf der einen Seite gibt es Anleihen aus den Kernländern, bei denen das Ausfallrisiko fast keine Rolle spielt. Auf der anderen Seite gibt es Anleihen aus den Peripheriestaaten, bei denen das Ausfallrisiko eine wichtige Komponente ist. Aber dadurch kann man Ertragspotenziale schöpfen.

Gerade mit den Staatsanleihen der Schuldenstaaten konnte man in den vergangenen Jahren hohe Gewinne erzielen.

Absolut, vor zwei Jahren gab es für die Euroschuldenstaaten eine sehr attraktive Risikoprämie, weil die Anleihen damals ein relativ hohes Ausfallrisiko hatten. Mittlerweile hat sich das Ausfallrisiko stark reduziert, die Zinssätze sind zurückgegangen und im Gegenzug die Anleihenkurse stark gestiegen. Dadurch konnte man hohe Erträge erzielen.

Gibt es da noch Kurspotenzial?

Vieles ist schon gelaufen. Das heißt aber nicht, dass in Zukunft durch makroökonomische Krisen die Zinssätze der Peripherieanleihen nicht wieder in die Höhe gehen und sich ähnliche Ertragschancen auftun.

Gibt es solche auch für Anleihen sicherer Länder (Deutschland, Österreich)?

Kaum, bei den Kernstaaten sind die Potenziale ausgereizt. In den vergangenen Jahrzehnten gab es eine enorme Zinssenkungsphase. Ich glaube, bei den zehnjährigen Renditen sind wir am unteren Ende angekommen, da gibt es nicht viel zu verdienen.

Auch jetzt, nachdem die EZB den Leitzinssatz erneut gesenkt hat?

Die EZB versucht alles, um die Negativspirale einer möglichen Deflation zu verhindern. Die neuen Maßnahmen der EZB (Leitzinssenkungen und negative Zinsen für das Geld, das Banken bei der Zentralbank halten, Anm.) haben eine Reaktion bei den zehnjährigen Renditen ausgelöst, aber keine dramatische. Bei Deutschland stehen wir bei den zehnjährigen Renditen bei rund 1,4 Prozent. Da gibt es kaum Spielraum nach unten.

Sie wählen die Staatsanleihen nach einer empirisch-fundierten Anlagestrategie aus. Wie funktioniert das?

Wir haben erkannt, dass die Terminzinssätze und die Termin-Credit-Default-Swaps (diese zeigen an, welches Ausfallrisiko der Markt für bestimmte Länder annimmt, Anm.) eine wichtige Rolle spielen. Es hat uns selbst überrascht, welch hohe Prognosequalität die Terminkreditaufschläge für die Renditen von Staatsanleihen haben. Sie zeigen, ob sich Risikoaufschläge künftig reduzieren, womit man dann Kursgewinne machen kann. Wenn unser Modell negative Ertragserwartungen anzeigt, investieren wir in risikolose Investments, also deutsche Bundesanleihen.

Sind Sie derzeit in risikolosen oder in riskanteren Staatsanleihen investiert?

In riskanten Anleihen, aktuell sind wir bei Italien, Spanien und Irland übergewichtet. Anleihen aus Frankreich, Niederlande, Belgien, Österreich sind derzeit kaum im Portfolio.

Unter welchen Umständen hätten die Anleihen der Euroländer wieder attraktivere Ertragspotenziale?

Etwa, wenn eine Krise rund um die Ukraine Handelssanktionen gegen Russland zur Folge hat und die Investoren das als volkswirtschaftlich negativ sehen. Dann könnten die Zinssätze der Peripherieländer in die Höhe laufen. Oder wenn der Konsolidierungserfolg der Schuldenstaaten ins Stocken gerät und sich die makroökonomischen Bedingungen verschlechtern. Dann gehen wir raus aus europäischen Peripherie-Anleihen und investieren kurzfristig in sichere Kernländeranleihen, um Kursverluste zu vermeiden. Aber klar ist, dass man später mit den riskanten Staatsanleihen wieder Ertragschancen hat.

ZUR PERSON

Engelbert Dockner ist Finanzprofessor an der WU Wien und hat in renommierten internationalen Zeitschriften publiziert. Er ist auch wissenschaftlicher Leiter bei Spängler Iqam Invest, die empirisch fundierte Anlagestrategien entwickelt. Die Firma hat ein Modell zur Selektion europäischer Staatsanleihen entwickelt, das die künftigen Renditen etwa mithilfe von Termin-CDS (zeigt, welche Kreditrisikoaufschläge der Markt für bestimmte Länder erwartet) prognostiziert. [ Spängler Iqam Invest]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2014)


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